Willi von Bellden (German Edition)
wir automatisch mit ihm, obwohl er uns nicht an der Leine führte.
Das Erste, was mir in den Kopf schoss, war, dass man Toni gefunden hatte. Tot. Doch es kam anders.
»Der Kommissar aus Dijon hat angerufen. Er bittet dringend um deinen Rückruf«, sagte Anny und reichte Tanner das Handy. Natürlich hatte er mal wieder vergessen, es mitzunehmen. Mein Herrchen ersparte sich weitere Fragen, stattdessen wählte er noch mit dem Flûtesrucksack auf dem Rücken eine Nummer und ging einige Schritte weiter zu den Autos, die auf der kleinen Wiese gegenüber den Mobile Homes parkten.
»Monsieur Commissaire! Bonjour ...«, schrie Tanner in den Hörer, während Basko und ich unauffällig in seine Richtung liefen. Dabei schnupperten wir mit unserer Nase auf dem Boden herum, damit unser neugieriges Verhalten nicht auffiel. Sammy beobachtete uns von der Terrasse aus, neben seinem geliebten Frauchen stehend. Ich hatte mich zu dieser Zeit noch nicht mit der Frage beschäftigt, ob ich ihm gegenüber noch Eifersucht empfand, wollte es aber so bald wie möglich tun, spätestens, wenn diese Sache hier abgeschlossen war.
»Was?«, schrie Tanner plötzlich überrascht auf. »Das ist hervorragend, einfach sensationell!«
Lange blieb es still. Tanner tappte von einem Fuß auf den anderen, steckte sich eine Zigarette an, drückte sie wieder aus, nickte, murmelte Bestätigungen oder gab erstaunte Laute von sich. Nach gefühlten drei Stunden verabschiedete er sich von dem Kommissar und eilte die wenigen Stufen zur Veranda hinauf. Mittlerweile hatte sich Anny angezogen und Kaffee gekocht, dessen Duft sich ausbreitete. Auch Oma kam schon aus ihren Federn gewankt und schritt zielstrebig in Richtung der Toilette, wobei sie nur ein schnelles »Guten Morgen« nuschelte. Bestimmt hatte sie es eilig, weil sie sich morgens nach nichts so sehr sehnt wie nach einer Tasse Kaffee. Meistens trinkt sie vier oder sogar fünf Tassen hintereinander, isst ein Croissant und löst dabei Kreuzworträtsel, eine weitere Leidenschaft von ihr, während sie sieben Löffel Zucker in ihren Kaffee schüttet, aber vehement darauf besteht, nicht umzurühren, da sie ihn nicht gern zu süß trinkt.
Noch nie ist es mir gelungen, ihr System zu durchblicken, und ich glaube, es wird uns allen auch nicht gelingen. Irgendwann habe ich aufgegeben, mich über sie zu wundern oder sie gar verstehen zu wollen. Man muss halt irgendwie mit ihr leben lernen, wenigstens für die Zeit, in der sie zu Besuch ist oder mit uns in Urlaub fährt.
»Was wollte er?«, fragte Anny. »Er hat sich ziemlich wichtig angehört, da er darauf beharrt hat, schnellstens mit dir sprechen zu wollen. Im ersten Augenblick hatte ich große Angst, dass sie Toni gefunden haben könnten und er nicht mehr am Leben sei.«
Tanner zog seinen Rucksack aus, wusch sich bedächtig die Hände über dem Spülbecken (was Oma so wild machte wie eine Bache), dann nahm er am Tisch gegenüber von Anny Platz und nahm einen Schluck Kaffee, bevor er antwortete.
»Die Polizei aus Dijon hat einen Kunsthändler aufgespürt, der zahlreiche Artefakte weitervermittelt hat, die Norbert ihm gegeben hat. Das ist schon starker Tobak, aber nun halte dich fest: Den ganzen historischen Stücken lagen Echtheitszertifikate bei, ausgestellt von niemand anderem als der Denkmalbehörde in Dijon, wo Norbert gearbeitet hat!«
Anny hatte den Ausführungen ihres Mannes leidenschaftlich gelauscht; noch immer hielt sie ihre Tasse in der rechten Hand und bekam den Mund vor Staunen nicht mehr zu.
»Unser Norbert?«, fragte sie ungläubig und brüskiert darüber, wie man sich auf diese Art und Weise verhalten konnte. Doch Tanner fuhr fort, ohne darauf zu antworten.
»Aber nicht nur das haben die herausgefunden, sondern auch große Bewegungen auf seinen Bankkonten festgestellt. Kurz vor seinem Tod wurde ein Betrag von siebzehntausend Euro abgehoben, der noch immer spurlos verschwunden ist. In Norberts Wohnung hat man zwar Bargeld gefunden, aber nicht annähernd diese Summe. So fragen sich also alle: Was hat Norbert mit diesem Geld gemacht?«
»Also ich wüsste, was ich mit diesem Geld anfangen könnte!«, meinte Oma im Vorbeilaufen.
Ja, dachte ich bei mir, ich kann mir gut vorzustellen, was Oma mit diesem Geld machen würde. Wahrscheinlich würde sie Frankreichs Rotweinkeller leerkaufen, damit den armen Franzosen nichts mehr anders übrig blieb, als ihre Baguettes und der Camembert. Ach nein, sie liebte den Camembert ja ebenfalls. Also blieb ihnen nur
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