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Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Titel: Willkommen im sonnigen Tschernobyl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blackwell
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Naturwissenschaftslehrer im Ruhestand und ein Freund von Art, hockte neben mir und stupste mich an.
    »Vielleicht willst du auch an Deck kommen?«, fragte er. »Die Schiffsschraube ist in ein Netz geraten.«
    Da begriff ich, was für ein Geräusch das war. Nach fünf Tagen unaufhörlichen Motorengeräuschs drehte sich die Schraube nicht mehr. »Welche Peilung?«, lallte ich und purzelte aus dem Bett.
    An Deck trafen wir auf den gerade dem Meer entstiegenen Piratenkönig mit nacktem Oberkörper und glitzernden Salzwassertröpfchen im Bart. Zu gern würde ich behaupten, er habe ein Messer zwischen den Zähnen gehabt. Er war über Bord gegangen, um die Schraube zu befreien. Ihm zu Füßen lag seine Beute, ein junges Geisternetz, lang und schmal, noch nicht mit anderen Netzen und Seilen verwickelt, noch nicht bis zur Unkenntlichkeit in sich selbst verknäult. Aufgeregt scharte die Crew sich um das Netz. Wir hatten den Wirbel gerade erst erreicht und schon schwappte der Müllteppich heran und versetzte uns einen Streifhieb.
    Ich hatte meine Videokamera dabei und begann Robin und seine Helfer dabei zu filmen, wie sie das Netz entwirrten. Mary war auch da, wie immer merkwürdig abseits vom Rest der Mannschaft, und beobachtete, wie die Knoten gelöst wurden. Sie nahm eine Ecke des Netzes in die Hand und wendete es hin und her.
    »Kaum zu glauben, dass die Leute so etwas ins Meer werfen«, sagte sie. Ich war mir nicht sicher, ob sie mit mir sprach oder in die Kamera.
    Wieder Abfall im Wasser. Irgendjemand hatte eine lange Stange mit einem Netzkorb am Ende hervorgeholt und wir gingen auf Jagd. Es gab da einen Trick. Ließ man den Korb im Wasser, war er schwer zu lenken, deshalb musste man ihn genau hinter dem vorbeischwimmenden Gegenstand hineinstoßen. Wie Wikinger, die von ihrem Kriegsschiff aus mit Speeren fischten, brachten wir so einige Stücke Schrott an Bord.
    Inzwischen hatten Kaniela und Nick das Beiboot herabgelassen und sausten hin und her, um die Teile einzusammeln, die vom Schiff aus entdeckt wurden. Nick war als Repräsentant der Ocean-Conservancy-Organisation an Bord und kam damit einem professionellen Meeresbiologen und Meeresabfallspezialisten von uns allen am nächsten. Jedes Jahr organisierte die Ocean Conservancy eine gewaltige Aktion, die sogenannte Internationale Küstensäuberung. Nicks Einsatz an Bord der Kaisei war der symbolische Beginn der diesjährigen Aktion.
    Die Schicht der Bravo-Wache begann. Ich schnappte mir ein Walkie-Talkie, übernahm die Bugwache und meldete die Funde Gabe im Steuerhaus, der sie ins Logbuch eintrug. Nick und Kaniela auf dem Beiboot hatten ebenfalls ein Funkgerät. Wenn einer von uns etwas besonders Interessantes sah – einen Eimer, ein großes Stück Plane –, beschleunigte Kaniela das Boot und sie hüpften in einer heißen Verfolgungsjagd über das Wasser.
    Ich kletterte auf den Bugspriet, beobachtete das vorbei ziehende Wasser, hielt die Augen offen nach Plastikkisten und Eimern. Das Boot schoss vorwärts, Nick im Bug, eine Galionsfigur mit Sonnenbrille.
    Plötzlich überkam es mich, und ich drückte die Sendetaste an meinem Funkgerät.
    »Gamma Whiskey Beta, hier spricht die Bugwache Alpha Bravo, bitte kommen.«
    Die Bravo-Wache liebte ihre Funkgeräte und den Quatsch, den man damit anstellen konnte.
    »Bugwache, klar und deutlich«, kam Gabes krächzende Ant wort. »Hier spricht die Brücke. Bitte Statusmeldung auf zwölf Uhr, over.«
    »Brücke, verstanden«, antwortete ich. »Wir säubern den Pazifik … von Hand . Ende.«
    Robin kam zum Bug, um Hallo zu sagen. Die Leute kamen gerne zum Bug, nicht nur, weil es dort idyllisch und ruhig war, sondern auch, weil es nicht viele Orte gab, an denen man ungestört reden konnte.
    Ich sagte, dass ich unsere Arbeit für nicht besonders sinnvoll hielt.
    »Es ist ein Witz!«, pflichtete er mir bei und zog eine Grimasse. »Das einzig Sinnvolle wäre, die Strömungsmodelle zu überprüfen.«
    Aber soweit ich wusste, hatte Mary keine Informationen über die Strömungsmodelle, sie kannte nur zwei GPS -Wegpunkte – einen von der National Oceanic and Atmospheric Administration ( NOAA ) und einen von der University of Hawaii. Sollte das alles sein? Einen Wegpunkt ansteuern und sich mal kurz umsehen? Ich hatte gehört, wie Mary sagte, dass ihre Kontaktperson bei der NOAA vorgeschlagen hatte, dass wir uns »melden, wenn wir da draußen sind«. Aber nun würde selbst das schwierig. Es gab eine Satellitenverbindung an Bord für den

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