Willkommen im Totenhaus
habe. Wobei die Wunden in der Seele bestimmt noch tief sind. Herr im Himmel, was müssen die beiden hinter sich haben. Es wird lange dauern, das aufzuarbeiten.«
Der Meinung waren wir auch.
Suko spähte schon verstohlen auf die Uhr. Ich verstand den heimlichen Wink.
»Gut, Mrs. Pambroke, wir werden jetzt gehen müssen. Ich wünsche Ihnen und den beiden Kindern alles erdenklich Gute. Passen Sie gut auf die Mädchen auf.«
»Das kann ich Ihnen versprechen.«
Ich verabschiedete mich noch persönlich von Ellen und Mandy.
Beide wollten mich umarmen und fragten, ob ich sie mal besuchen käme.
»Wenn es meine Zeit erlaubt, bestimmt, ihr beiden Süßen. Dann gehen wir los, trinken Schokolade, essen Kuchen und Schlagsahne und fühlen uns so richtig wohl.«
Sie lächelten über meinen Vorschlag, und dabei glänzten ihre Augen. Ich freute mich über diese Reaktion, die ein wenig Normalität zeigte.
Mrs. Pambroke brachte uns noch bis zur Tür. Ich wies noch einmal darauf hin, daß sie am nächsten Tag Besuch von der Polizei bekommen würde. Das alles interessierte sie nicht. Meine rechte Hand hielt sie mit beiden Händen fest. Sie bedankte sich noch einmal für die Rettung der Kinder.
»Nein, nicht bei mir. Danken sie dem Herrgott. Er hat das Schicksal günstig lenken können.«
»Ja, das werde ich nicht vergessen, Mr. Sinclair.«
Ich ging zum Wagen, wo Kelly Kidman und Suko bereits auf mich warteten. Kelly probierte aus, wie gut oder schlecht sie mit ihrem linken Fuß auftreten konnte. Sie hatte uns auch von leichten Kopfschmer zen berichtet, aber ihr Knie war mehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Kelly gehörte auch zu den Personen, die ihre Zähne zusammenbeißen und nicht nörgeln.
Bevor sie einsteigen konnte, sprach ich sie noch einmal an. »Wir müssen mehr über Graystone Hall wissen, bevor wir hinfahren. Kennen Sie jemand, der uns da helfen kann?«
»Jetzt? Zu dieser Zeit?«
»Ja, noch ist nicht Mitternacht.«
»Aber in zehn Minuten.«
»Das spielt keine Rolle. Hier geht es auch um das Verschwinden Ihrer drei Freunde.«
»Dann lassen Sie uns fahren, verdammt!«
»Bitte nicht aufregen. Wenn Graystone Hall tatsächlich so etwas wie ein Hort des Bösen ist, und daran habe ich keinen Zweifel, möchte ich, bevor ich eingreife, so viele Informationen wie möglich über das Ziel erhalten. Das ist legitim. Ansonsten könnten wir noch bösere Überraschungen erleben.«
»Ja«, gab Kelly zu. »Das verstehe ich ja. Sie müssen so denken, und es ist wohl richtig.«
Ich kam wieder auf das Thema zurück. »Kennen Sie jemand, der uns da weiterhelfen könnte?«
»Ja, in unserem Dorf gibt es einen Mann, der über Graystone Hall informiert ist.«
»Wie heißt der Mann?«
»Tom Bucklow. Ein pensionierter Küster, der sich mit der Heimatgeschichte auskennt.«
»Dann fahren wir sofort.«
»Aber er wird schlafen!«
»Dann werden wir ihn wecken!« erklärte Suko und drehte den Zündschlüssel…
***
Graystone Hall lag ungefähr auf halber Strecke zwischen Harlow und Sheering, dem Ort, in dem Kelly Kidman lebte. Es war wirklich ein Kaff und lag in tiefem Schlaf. Die wenigen Lichter verschwammen hinter den Dunststreifen. Man hätte ebenso auf sie verzichten können. Auch hierher hatte der Wind das Laub geweht. Es klebte an den feuchten Pflastersteinen fest, mit denen ein Teil der engen Straßen bedeckt war. Die Häuser wirkten klein und sahen aus wie gedrungene Schatten, vor denen der Dunst hertrieb.
Kelly kannte sich aus. Als wir an ihrem Elternhaus vorbeifuhren, mußte sie schlucken und hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Wir sprachen sie auch nicht auf ihr Gefühl an und hörten nur wie sie sagte: »Die nächste Straße links.«
Es war eine Gasse. An ihrem Ende ragte etwas Kantiges in die Höhe, ein Kirchturm.
Mitternacht war schon vorbei, als wir den Rover neben der Kirche parkten. Den Rest der Strecke gingen wir zu Fuß. Der Küster wohnte in einem kleinen Haus. Es war von einem Garten umgeben, den wir noch durchqueren mußten.
Kelly lachte kratzig, als sie das Licht hinter den beiden Fenstern nahe der Tür sah. »Er ist noch wach. Na ja, in seinem Alter schläft man eben nicht so früh. Immerhin ist er schon über Siebzig.«
Es gab einen Klingelknopf, und den drückte ich mit der Kuppe des Zeigefingers. Im Haus bimmelte eine Glocke. Wenig später hörten wir Schritte, dann wurde die Tür geöffnet und ein kleiner Mann mit grauem Bart und schütterem Haar schaute uns verwundert an. Er trug eine
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