Willkommen in der Wirklichkeit
sich müßig, ob die Möglichkeit bestand, daß Velasquez wirklich Bleistifte zerbrach. Vielleicht brachte ihm ein Unterstaatssekretär unzählige Kisten mit perfekt gespitzten Bleistiften.
Der Gedankengang wurde zerrissen, als plötzlich die Tür des Konferenzraumes aufgerissen wurde. Ein neuer Teleroboter wankte ungeschlacht herein. Kommissar Gavronskys Gesicht flackerte auf dem Bildschirm. Die anderen Teleroboter blickten verärgert murmelnd auf. Doch Gavronsky brachte sie alle mit einer Bewegung seiner Metallhand zum Schweigen. »Olga stirbt!« erklärte er.
Protestierende Stimmen hoben sich. Unmöglich, dachte Dorff. Olga war jung und gesund, sogar athletisch, und sie war die auffassungsfähigste aller bekannten Erhalter. Ihre Augen waren von einem klaren und hellen Blau, dem nichts entging. Wie konnte sie sterben?
»Die sowjetische Medizin ist die beste der Welt«, wies Gavronsky wütend einige Vorwürfe zurück. »Es ist keine Frage der Physis. Sie hat ihr Selbstvertrauen verloren. Eine unglückliche Liebesbeziehung. Die Verantwortlichen haben …«
Sein Teleroboter löste sich in Staub auf.
»Jetzt«, sagte Jerome Hunt mit düsterer Befriedigung, »gibt es auf der ganzen Welt also nur noch sechs Menschen. Und sieben braucht man, um die Welt vor der Vernichtung zu bewahren.« Grauer Nebel kroch in den Raum.
Die Versammlung löste sich in heilloser Unordnung auf.
Kurz nach Arbeitsbeginn kam Milligan zu seinem Schreibtisch. »Das war ja ein fürchterlicher Abend, was?« sagte er mit einem breiten Grinsen. »Hatte ich heute morgen einen Kopf!«
Pankopf zuckte vor dem Mann zurück. Er sah anders aus. Es lag nicht nur daran, daß er tot sein sollte. Das war auch nicht sein altes, schurkenhaftes Hol’s-doch-der-Teufel-Lächeln. Es war jetzt ein gemeines Lächeln, und in seinen Augen funkelte Boshaftigkeit.
»Ich glaube, ich brauche ein Aspirin«, sagte Pankopf. Er öffnete seine Schreibtischschublade und durchsuchte sie, verzweifelt bemüht, Milligans Blick nicht erwidern zu müssen.
»Ist dir jemals aufgefallen«, sagte Milligan beiläufig, »wie ein ganz alltägliches Wort – Aspirin, zum Beispiel – manchmal jede Bedeutung verliert, wenn man es ausspricht? Du denkst ›Aspirin‹ und kannst es dir nicht vorstellen. Es ist nur eine komische Silbenkombination. As-pi-rin.«
»Nein, das ist mir nie aufgefallen«, sagte Pankopf. Doch jetzt fiel es ihm auf. Er suchte weiterhin nach den Tabletten, fand sie jedoch nicht. As-pi-rin.
»Oder Kugelschreiber«, sagte Milligan. »Oder auch Bleistifte. Papier. Sage es ein paar Mal laut vor dich hin. Pa-pier. Was bedeutet das? Nichts. Wie könnte es auch etwas bedeuten? Pa-pier.«
Die Schublade war jetzt eigentümlich leer und wurde immer leerer, während Milligan weitersprach und die Namen von Dingen nannte, die Pankopf augenblicklich zu vergessen schien. Und doch, trotz der Tatsache, daß die Schublade so wenig enthielt, konnte Pankopf nicht die – wonach auch immer er suchte – finden. Es kann nicht in der Schublade sein, dachte er. Benommen, als griffe er durch einen Dunstschleier des Schmerzes, durchsuchte er seine Taschen.
»Parkbänke«, sagte Milligan. »Paket, Pfau und Philatelie. Alles bedeutungslos. Pa-ra-sit.«
Da war etwas in seiner Hemdtasche. Pankopf holte es heraus und faltete es auf, gegen jede Hoffnung hoffend, daß das … was auch immer darin war …
Es war ein Brief; der, den er von Philip Korman bekommen hatte. Er schien jetzt aus einer Metallfolie zu bestehen und nicht mehr aus diesem Material, dessen Namen er vergessen hatte, aber auf dem man normalerweise Briefe schrieb. Doch als er ihn herumdrehte und das Licht silbern über ihn blitzte, konnte er die eingestanzten Buchstaben lesen: Um Gottes willen, Sandy. Setz dich durch! K.
»Übrigens, was auf der Welt ist ein Pankopf?« sagte Milligan. Sein Grinsen wurde augenblicklich breiter und noch boshafter »Pan-Kopf. Sag es ein paar Mal vor dich hin. Pan …«
Pankopf drehte durch und lief los.
Die grauen Nebel teilten sich, und Dorff kam zu sich. Einen Augenblick lang lag er bewegungslos da, mit geschlossenen Augen. Ich bin im Krankenhaus, dachte er. Irgend etwas stimmt nicht mit mir. Das letzte, woran er sich erinnerte, war, wie er mit Miss Goodbody in seinem Penthouse war. Wie sie über die Natur der Identität sprachen. Dann, ohne das geringste Gefühl einer Ortsveränderung – hier. Er hoffte, daß er nicht starb.
Er öffnete die Augen und stellte fest, daß er in sein
Weitere Kostenlose Bücher