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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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hatte – nämlich dem Schreiben billiger und schlecht honorierter Taschenbücher, die zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig einbrachten? Aber warum, in Kuckucks Namen, sollte er so etwas tun?
    »Warum, in Kuckucks Namen, sollte er so etwas tun?« fragte ich Benno Klabuster.
    »Frag ihn doch selbst«, schlug Benno vor. Ich machte kehrt und wandte mich dem Ausgang zu, als ich mich plötzlich des Eindrucks nicht erwehren konnte, ein schweres Gewicht laste an meinem Körper. Als ich hinuntersah, sah ich, daß das Gewicht Benno war. Er hing an meinem rechten Arm, in dessen Hand ich noch die Vurguzzflasche hielt.
    Das Nebenhaus sah wenig vertrauenerweckend aus, und auch in seinem Innern herrschte eine Atmosphäre von Terror und Gewalt. Ein halbes Dutzend maskierte Teenies, die gerade im Begriff waren, eine dunkelhaarige junge Frau mit entzückenden Brustwarzen zu belästigen, riefen mir böse Schimpfworte zu, als ich Anstalten machte, den von Glasscherben, Zeitungspapier und leeren Bierflaschen übersäten Korridor zu durchqueren, um mich der Treppe zu nähern.
    ›Spanner‹ und ›Drietlöök‹ war noch das Feinste, was ihnen über die Lippen kam, und so sah ich mich schließlich gezwungen, ihnen meine Beretta unter die Nase zu halten, worauf sie mit hellem Gekreische die Flucht ergriffen. Die dunkelhaarige junge Frau mit den entzückenden Brustwarzen, die ich auf Mitte zwanzig schätzte, versetzte mir daraufhin einen Tritt vors Schienbein, nannte mich einen ›alten Sack‹, verwünschte mich, weil ich ihr ›das Geschäft des Lebens‹ vermasselt hatte, knöpfte ihre enge Bluse zu und machte sich laut schimpfend davon.
    »Wohlan denn«, sagte ich mir. »Im Haus bist du schon mal. Jetzt mußt du nur noch des Dichters Stube finden!«

 
4. Kontakt!
     
    Wie ich’s vermutet hatte, hatte Benno Klabuster wieder mächtig übertrieben. Der Mann, der mir öffnete, sah Philip K. Dick ungefähr so ähnlich, wie Udo Jürgens Roberto Blanco. Womit ich nicht sagen will, daß er schwarz war.
    Er war ungefähr dreißig, hatte dunkles Haar und trug keinen Bart. Ich will jedoch nicht verschweigen, daß er eine gewisse Ähnlichkeit mit Philip K. Dick aufwies – denn er hielt den Kopf leicht nach rechts geneigt, und um seinen Mund spielte ein Grinsen, das ihn dem Mann, der auf dem Band KOSMISCHE PUPPEN (Heyne Taschenbuch Nr. 06/4328) abgebildet ist, in der Tat sehr ähnlich machte.
    »Geben Sie’s zu«, sagte ich. »Sie sind es!«
    »Na klar«, sagte er. »Sicher bin ich’s. Kommen Sie rein!«
    Er geleitete mich in ein kleines Kämmerchen, das neben einem Messingbett und einem hölzernen Schränkchen nur einen wackligen Stuhl, einen wackligen Tisch und eine vom Zahn der Zeit ziemlich angenagte Schreibmaschine der Marke Goofy enthielt.
    In die Schreibmaschine war ein Blatt Papier eingespannt, und als ich daran vorbeikam, warf ich flugs einen Blick darauf und las: »Nachdem Joe Beeple seinen dreißigsten Science Fiction-Roman veröffentlicht hatte, meldete sich eines abends eine Stimme in seinem Kopf und sagte: ›Du wirst es nicht glauben, Joe, aber du bist nicht der einzige, der sich Welten ausdenkt, um sie mit erfundenen Charakteren zu bevölkern. Auch ich denke mir Welten aus und bevölkere sie mit erfundenen Charakteren. Du bist der Charakter, der mir bisher am besten gelungen ist …‹«
    Wer auch nur eins von Dicks Büchern gelesen hat, wird sich vorstellen können, wie mir in diesem Augenblick zumute war.
    Mir stand das Haupthaar zu Berge.
    Meine Augen quollen hervor.
    Mein Puls raste.
    Mein Herz hämmerte.
    Mir fiel die Kinnlade herunter, und dann strauchelte ich und fiel bäuchlings auf das Messingbett, wo ich keuchend nach Atem rang.
    Wenn das kein Beweis war, dann wußte ich es nicht!
    »Wie haben Sie es gemacht?« brabbelte ich aufgeregt, als ich wieder Herr meiner Sinne war. »Wie haben Sie es gemacht?«
    »Ich war’s leid«, sagte der Mann. »Mir hing alles zum Hals raus. Das ganze Leben lang haben mich diese dämlichen Verleger gezwungen, mir für irgendwelche Halbgescheiten in Kansas Lügengeschichten auszudenken, und dabei wollte ich immer nur …«
    »Was?« keuchte ich. »Was wollten Sie?«
    Der Mann zuckte die Achseln. »Es ist nicht wichtig, jedenfalls nicht für Typen Ihrer Art. Ich könnte es Ihnen sagen, aber Sie würden’s eh nicht verstehen.«
    »Meister!« schrie ich (außer mir). »Sprecht nicht solche Worte! Euer Lebenswerk …«
    »Pah!« sagte der Mann, nahm auf dem wackligen Stuhl an dem

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