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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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wie hinterhältigen Verlegers, weihte ihn in den ganzen Schwachsinn ein, und winkte mich mit dem Satz hinaus: »Du sollst den Fall recherchieren. Der Verleger will heute abend eine heiße Story sehen!«

 
2. Auf Achse
     
    Da stand ich nun, ich armer Tor, und war so klug als wie zuvor.
    Da ich in der Redaktion als einziger zu wissen schien, wie der Vurguzz Benno Klabusters Hirnzellen zerfressen hatte, machte ich mir natürlich keine Hoffnungen, meiner Aufgabe gerecht werden zu können und formulierte, während ich mich zu Fuß durch den Großstadtdschungel schlug, schon einmal die einleitenden Sätze der Schmu-Story, die ich Arthur servieren wollte.
    Zu meiner großen Überraschung stieß ich jedoch, als ich die Barrikade nach Elberfeld überkletterte, unter den dort um ihre prasselnden Feuer sitzenden finnischen Nomaden auf meinen alten Kollegen Tommy Zubbel, der früher, als er noch unheilbar drogensüchtig war und von diversen Finanzämtern und Kreditkartengesellschaften verfolgt wurde, aus purer Verzweiflung und nacktem Hunger Perry Rhodan- Hefte geschrieben hat.
    Auch Tommy Zubbel hatte von Philip K. Dicks wundersamer Auferstehung gehört, und schon jetzt, behauptete er, strömten aus dem ganzen Land und Entenhausen die Fans nach Wuppertal, um zu seiner Wohnung zu pilgern und ihn zu fragen, wie er das mit der Welt, die sich bei genauem Hinsehen in ihre Bestandteile auflöst, eigentlich gemeint habe.
    »Er wohnt in der Kaiserstraße«, brabbelte Zubbel mir die Ohren voll. »Ich weiß es von Wölfi. Ich würd ja gern mit dir zu ihm gehen – schließlich hab ich ja ein paar nicht unwichtige von seinen Werken übersetzt« (an dieser Stelle warf er sich mächtig in die Brust), »aber leider muß ich noch auf meinen Dealer warten.«
    Ein italienischer Mafioso, der gerade des Weges kam, verkaufte mir eine Beretta, und so konnte ich mich problemlos in den Bahnhof der Schwebebahn wagen und mir den Weg durch die dort kampierenden Kalmückenhorden bahnen, die – samt und sonders deutscher Abstammung – vor kurzem aus der SU emigriert waren. Die Schwebebahn, die sich kurz darauf näherte, war voller Männer mit weißen Burnussen. Der Stadtrat hatte sie wohl zu einer Rundfahrt durch unser schönes Städtchen eingeladen.
    Am Landgericht gerieten wir unter Beschuß der örtlichen FAP-Sturmtruppen, die sich mit Zwillen und leeren Bierflaschen gegen die zunehmende Überfremdung zur Wehr setzten, doch die Polizisten, die auf dem Schwebebahndach lagen, machten kurzen Prozeß mit ihnen – sie bewarfen sie mit fünftausend prall gefüllten Kondomen, die sofort platzten und die geladene Bande quiekend in alle Himmelsrichtungen auseinanderspritzen ließ: Wenn diese Kerle überhaupt vor etwas Angst haben, dann vor AIDS-Viren.
    Wenn man von den libanesischen Falangisten absieht, die den Elberfelder Schwebebahnhof zu ihrem örtlichen Hauptquartier gemacht hatten, und die mich umringenden Moslems unter Feuer nahmen, kamen wir relativ ungestört weiter, doch schon am Robert-Daum-Platz wurde die Sache haarig, denn ein israelisches Siedlerkommando, das ebenfalls auf die arabischen Durchreisenden wartete, ließ unverhofft eine Brechreiz erzeugende Stinkbombe aus den Labors der nicht weit entfernten Bayer-Werke hochgehen, so daß wir das Stück bis zum Stadion hauptsächlich kotzend hinter uns brachten.
    Am Stadion wurde es mir dann zuviel, und so ging ich, die Beretta schwenkend, um mir Respekt vor den dort in Zelten lagernden Rifkabylen zu verschaffen, eiligst von Bord, um Frischluft zu tanken und mich zu orientieren.
    Auf der Kaiserstraße türmten sich ausgebrannte, rostzerfressene Autowracks, hinter denen vermummte Kerle Pistolen und langläufige Flinten schwangen. Sie fielen im Dutzend über mich her, als sie mich sahen, doch zum Glück befand sich einer unter ihnen, den ich noch aus meinen revolutionären Zeiten kannte. Es war der Rote Eddy. Er trug einen grünbraun gesprenkelten Kampfanzug und hatte sein Gesicht mit Kohlenstaub beschmiert.
    »Eddy!« schrie ich. »Dich schickt der Himmel!«
    »Oh, Gott«, sagte Eddy. »Das Revisionistenschwein.« Er tat nicht sehr begeistert, obwohl wir in den sechziger Jahren jede Menge Utopia- Hefte miteinander getauscht hatten. Auf seiner linken Schulter prangte der knallrote Aufnäher der Einzig Wahren Marxisten-Leninisten (vormals KPD/ML 73a), und an seinen Schulterklappen sah ich, daß er es inzwischen zum Fähnleinführer gebracht hatte. Als ich dem Roten Eddy nahezubringen versuchte, in

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