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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Arbeit zu interessieren – oder vielmehr mein Hobby. Meine eigentliche Arbeit ist selbstverständlich das Heilen.«
    »Selbstverständlich«, stimmte Will zu.
    »Wir wollen aus reiner Neugier die intellektuellen Fähigkeiten und affektiven Neigungen dieser nicht mehr existenten Indianer bestimmen – und wir werden die Schädel in meiner Sammlung aufbewahren, das versteht sich von selbst. Es sollte ihr guttun. Frische Luft, Sonnenschein.«
    »Wird sie also auch graben?«
    »O nein, nein.« Linniman stieß ein streng kontrolliertes, kurzes Lachen aus. »Um Himmels willen, nein. Wir haben zwei Arbeiter angeheuert, die die körperliche Arbeit erledigen – weder Professor Gunderson noch Eleanor ist in der Verfassung, derlei Strapazen auf sich zu nehmen, jedenfalls noch nicht. Guter Mann, das müßten Sie eigentlich wissen. Glauben Sie etwa, ich würde Ihre Frau anstrengenden Aktivitäten unterwerfen, für die sie noch nicht bereit ist?«
    Will gefiel die Terminologie nicht: Ihre Frau unterwerfen. Seine Frau unterwerfen, und sonst noch was. Er wollte diese grinsende Hyäne irgendeiner anstrengenden Aktivität unterwerfen, und es würde sich nicht um Graben handeln. Es wurmte ihn, er war aufgebracht, aber er ließ die Sache auf sich beruhen. Was konnte er schon tun? Er spürte bereits den glühendheißen Finger, der auf dem Plätzchen in der Bratpfanne seines Magens herumstocherte, und auch in seinen besten Zeiten war er nicht erpicht auf physische Gewalt gewesen. Außerdem würde Eleanor sowieso tun, was sie wollte, ob es ihm nun paßte oder nicht. Sie würde auf diese Expedition gehen, und Will würde die Zähne zusammenbeißen.
    Wenn er sich in diesem aktuellen Fall impotent fühlte, dann lag das natürlich an der Methode des San. Homer Praetz hatte recht gehabt: Des Doktors Methode war es, die Patienten in Abhängigkeit zu bringen, sie zum Kleinkind zu reduzieren, und wenn sie aus den Windeln herauswollten, dann mußten sie sich mit dem abfinden, womit er sie fütterte, mit den Trauben und den Sinusströmen und dem ewigen Glas Milch, ganz zu schweigen von seinen eselsdummen Vorträgen und der strikten Trennung vor dem Gesetz verheirateter Paare. Aber als Will Linniman betrachtete, wie er sehnig und hochmütig vor ihm stand, Symbol und Bollwerk für alles, wofür das San stand, spürte er ein Gefühl der Unabhängigkeit in sich aufwallen: Will hatte ein Geheimnis. Und es hatte genau damit zu tun – mit Impotenz. Nicht mit psychischer Impotenz, wie er sie eben dank Eleanor und ihrer dubiosen »Expedition« in Begleitung dreier Männer, von welchen mindestens zwei Junggeselllen waren, erlebt hatte, oder der Art Impotenz, wie sie das Personal des San förderte, das die Patienten verhätschelte, ihnen um den Bart ging und sie gleichzeitig tyrannisierte, sondern mit der sehr realen physischen Impotenz, die er unerklärlicherweise an jenem kalten Novemberabend erfahren hatte, als Eleanor ihn aufforderte, sie zu schwängern.
    Das hatte ihn beunruhigt. In Angst und Schrecken versetzt. Dafür gesorgt, daß er sich alt und verbraucht fühlte und sich überdies fürchterlich schämte. Der Große Heiler war keine Hilfe gewesen – er hatte es ihm ins Gesicht gesagt, ihn damit aufgezogen, hatte ihn dazu gebracht, daß er sich verderbt vorkam und sich frustriert fühlte, wenn er auch nur daran dachte, seine ehelichen Triebe auszuleben. Er schien sich darüber zu freuen, daß Will nicht dazu in der Lage war, ja er schien geradezu zu frohlocken. Aber Will freute sich nicht. Obwohl dieser Zustand auf die seltsamste Art und Weise und zu den seltsamsten Zeitpunkten zu kommen und zu gehen schien, so hatte er doch bei den drei oder vier Gelegenheiten, als er zu Eleanor gegangen war und sie ihn nicht sofort wieder weggeschickt hatte, dasselbe Problem gehabt. Er fragte sich, ob dieses Phänomen nicht irgendwie mit seinem Magen zusammenhing.
    »Möchten Sie noch eine Tasse Sorghum-Tee?« fragte Linniman, der nach einer Ausrede suchte, um sich entfernen zu können.
    »Danke, nein«, sagte Will und schwenkte die leere Tasse vor seiner Nase hin und her, »ich hatte bereits eine. Und eine ist genug – zuviel sogar. Bei weitem zuviel.«
    Linniman brummte nur. »War nett, sich mit Ihnen zu unterhalten«, sagte er dann und schlenderte in Richtung der Erfrischungen davon.
    Was der blondhaarige Junge nicht wußte, ebensowenig wie Dr. Kellogg, war, daß Will auf eigene Verantwortung handelte. Unerschrocken. Kühn. Er mußte dazu seine Abneigung

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