Willkommen in Wellville
seufzte.
Eleanor saß zu seiner Linken, stocherte gleichgültig in einem Haufen joghurtgetränkter Saubohnen herum und belebte sich nur, wenn sie am Gespräch teilnahm. Mrs. Tindermarsh saß neben ihr und Badger auf Miss Muntz’ Platz. Hart-Jones, mit ziegeiförmigem Gesicht und aufdringlich wie immer, saß rechts neben Will, und die neue Tischgenossin nahm Homer Praetz’ Platz ein. Aber das war Will nur recht, das war einfach wunderbar – Mrs. Hookstratten war wie ein Brief von zu Hause. Sogar besser. Sie lebte und atmete an dem Ort der Welt, an dem er am liebsten sein wollte, und sie erzählte davon. Sie brachte ihn auf den neuesten Stand, angefangen von der Gesundheit seines Vaters (robust) über die Qualität der Brotlaibe in Shapiros Bäckerei (nachlassend) bis zu den Chancen des Peterskiller Jacht-Clubs in der bevorstehenden Saison (vielversprechend). Die Gesellschaft Peterskills litt unter ihrer Abwesenheit, so versicherte sie ihm, aber alle Welt hoffte, daß er und Eleanor schnell genesen und zurückkehren würden – zumindest rechtzeitig zum Beginn der Theatersaison. Die Dauer ihres Aufenthalts war unbestimmt – sie ließ ihre Blumenbeete nicht gern allein –, aber natürlich hatte Dr. Kellogg diesbezüglich das letzte Wort.
Sie erzählte ihm von einem neuen Laden, der in der Division Street aufgemacht hatte, als Hart-Jones sie ablenkte und in die allgemeine Unterhaltung verwickelte. Will ließ sie ziehen. Versunken in Erinnerungen an Peterskill, starrte er auf seinen Teller, die Gabel über dem Wasserliliensalat erhoben, und dachte daran, wie die Sonnenstrahlen am Spätnachmittag durch die Salonfenster des Hauses in der Parsonage Lane fielen und wie er in glücklicheren Tagen in diesem goldenen Lichtschauer gesessen und Collier’s oder die Saturday Evening Post durchgeblättert hatte, während um ihn herum die leisen, tröstlichen Geräusche des Haushalts zu hören gewesen waren und Dick, der Drahthaarterrier, zu seinen Füßen gelegen hatte. Und wie hielt sich Dick? fragte er sich. Der arme Hund. Zurückgelassen in der Gesellschaft von Dienstboten, hatte er niemanden, der ihm den Bauch kraulte oder mit ihm auf der langen, smaragdgrünen Zunge des Rasens Ball spielte.
»Die Sinclairs?« rief Mrs. Hookstratten plötzlich und holte Will aus seinen Träumereien zurück, der zusah, wie sie die Hände in einer Geste des Schocks und der Verwunderung in die Höhe warf. » Die waren hier? Wirklich?« Sie war eine kleine Frau – kleiner, als Will sie in Erinnerung hatte – mit gewitzten, durchdringenden Augen und einem Teint wie Milch. Sie war mindestens sechzig und hatte nicht eine einzige Falte. »Oh« – und sie faltete jetzt die Hände vor der Brust –, »ich kann’s kaum glauben. Wie war sie, Eleanor?«
Es folgte die Beschreibung. Eleanor rühmte Meta Sinclairs Schönheit und stellte sie gleichzeitig in Frage, indem sie Adjektive wie »zigeunerhaft«, »arabisch« und »exotisch« ihren diversen Gesichtszügen und Körperteilen zuordnete, ihre Garderobe zugleich bewunderte und abtat.
»Also, ihr wißt natürlich, was für einen Skandal sie in New Jersey verursacht haben«, vertraute ihnen Mrs. Hookstratten mit leiser Stimme an, »in dieser Kolonie oder Kommune oder wie immer sie es nannten.« Das war Klatsch, erregend und köstlich, und um sich darauf konzentrieren zu können, legte sie die Gabel in ihr Nußragout.
Hart-Jones, der nichts darüber wußte und den Schriftsteller und seine Frau auch nicht erkannt hätte, wenn sie auf seinem Schoß gesessen hätten, verlautbarte dazu einen wiehernden und wie immer eselhaften Kommentar, aber Badger schnitt ihm kochend vor Wut das Wort ab: » Ich war in Helicon Hall, und ich versichere Ihnen, gnädige Frau, daß das Experiment, in einer Kommune zu leben, ein edles und fortschrittliches war.«
Eleanor sagte nichts, bedachte Badger jedoch mit einem schmeichelhaften leisen Lächeln.
»Aber Vorwürfe wegen allen möglichen ungehörigen Vorgängen wurden laut«, konterte Mrs. Hookstratten, »Sonnenanbetung, Nacktheit, freie Liebe –«
Freie Liebe. Der Ausdruck hing über dem Tisch wie ein sichtbarer Gegenstand, greifbar und leuchtend. Eine Weile lang sprach niemand, und Will rief sich alles in Erinnerung, was er über das Sinclairsche Experiment gemeinschaftlichen Lebens wußte – was sich auf das beschränkte, was er in den Zeitungen darüber gelesen hatte. Es war damals eine Mordsgeschichte gewesen. Sie hatten ein ziemlich herrschaftliches
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