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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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nie mehr etwas von Bender gehört, nur Gerüchte über ihn. So wurde behauptet, daß der Mann, den sie in Detroit festgenommen hatten, ein Komplize sei – oder vielmehr ein betrogener Betrüger –, den Bender dafür bezahlt habe, im vornehmsten Hotel der Stadt unter seinem Namen das Szepter zu schwingen, vermutlich um die Behörden von seiner Spur abzubringen. Ein Mann wie Bender brauchte nicht lange, um die nicht unbeträchtliche Summe, die er durch das Per-Fo-Projekt ergaunert hatte, durchzubringen, und der Legende zufolge verlor er den größten Teil davon, als er sich an einer Silbermine in Nevada beteiligte. Jahre später tauchte er in Montana wieder auf, ein Mann weit über Achtzig, mit immer noch gescheiteltem und gefärbtem Bart, unter dem Namen Soapy Smith, und zusammen mit zwei Gehilfen verdiente er seinen Lebensunterhalt mit dem Seifenspiel. In einem Gasthaus oder vor der Gemischtwarenhandlung irgendeiner der vielen tausend namenlosen Kleinstädte des Westens zog er eine Menge Leute an, indem er Seifen auffällig in knisternde neue Banknoten im Wert zwischen einem und hundert Dollar einwickelte, wobei er von letzteren wesentlich mehr aufblitzen ließ als von ersteren. Dann wickelte er die Seifenstücke in schlichtes Packpapier und legte sie in einen Korb. Für eine Gebühr von fünf Dollar durfte jeder Zuschauer im Korb wühlen und das Seifenstück – und das wertvolle Einwickelpapier – behalten, das er herausfischte. Irgendwie gelang es jedoch immer nur zwei zwielichtigen, schnurrbärtigen Gestalten, die kein Mensch zuvor in der Stadt gesehen hatte, die Hundert-Dollar-Seifenstücke herauszuholen. Bender machte ein gutes Geschäft mit dem Seifenspiel, so wie er es immer getan hatte mit seinen zahllosen Projekten – ein Mann, der über ein einwandfrei funktionierendes Zeitgefühl und ein umfassendes, stets einsatzbereites Wissen von seinen Opfern verfügte. Im Herbst seines fünfundachtzigsten Lebensjahres, so geht die Geschichte, schoß ihm ein verärgerter Seifenfischer dreimal ins Gesicht, und man begrub ihn in seiner Unterwäsche außerhalb von Dawson im Yukon-Territorium.
    Was die Lightbodys, Will und Eleanor, anbelangt, so kehrten sie nach Peterskill zurück, wo sie in der Parsonage Lane alles in bester Ordnung vorfanden, wiewohl Dick, der Drahthaarterrier, nie ganz darüber hinwegkam, daß sie ihn im Stich gelassen hatten, und für den Rest seines Lebens seinen Mißmut an den Perserteppichen ausließ, wenn sie das Haus für länger als ein, zwei Stunden verließen. Die Rose am Spalier vor dem Küchenfenster stand in voller Blüte, das sonnige kleine Zimmer oben an der Treppe war bereit für seinen zukünftigen Bewohner, die vertraute, schattenreiche Stadt mit den steilen Abhängen und den beschaulichen Wegen, mit ihren erhebenden Ausblicken auf den Hudson und den Dunderberg Mountain im Westen und Anthony’s Nose im Norden schien sie beide fröhlich zu stimmen, und ihr Leben begann, in ruhigen, normalen Bahnen zu verlaufen. Zugegeben, die Frage des Speiseplans war während der ersten paar Wochen eine heikle Angelegenheit, und Mrs. Dunphy, die Köchin, mußte eine Gratwanderung zwischen der alten physiologischen und der neuen gemäßigten, laxen Ordnung unternehmen, aber Eleanor aß frittierten Spargel, pochierte Alse oder ein Kalbskotelett, ohne zu klagen, und Will stellte fest, daß sich die harte, heiße Faust in seinem Magen langsam, ganz langsam öffnete.
    Dr. Brillinger war in der Zwischenzeit verschieden, und der neue Arzt in der Stadt, ein Dr. Morris Frieberg von der John Hopkins School of Medicine, untersuchte Will und diagnostizierte ein Zwölffingerdarmgeschwür, das aber bereits am Abheilen war, und er verschrieb nichts weiter als vernünftige Eß- und Trinkgewohnheiten und eventuell einen kleinen Spaziergang nach dem Essen. Während die Wochen und Monate vergingen, bemerkte Will, daß ein Glas Bier vor dem Abendessen seiner Verdauung nachzuhelfen schien, und mit einem Brandy oder zwei danach fühlte er sich rundherum zufrieden. Er aß Gemüse zum Fleisch, aß Vollkornkost und Getreideflocken, ab und zu ein Solei und einen Streifen Dörrfleisch. Er schlief nachts tief und zufrieden, Eleanor atmete leise neben ihm in dem großen Himmelbett, Dick lag zu seinen Füßen, und wenn Will der Sinn danach stand, machte er nach einer Golfpartie mit einem alten Schulfreund oder einer ermüdenden Wanderung in der Blue Mountain Reservation am Nachmittag ein Nickerchen. Im Herbst dieses Jahres

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