Willküra (German Edition)
verkauft, um ein bisschen Geld extra zu verdienen. Tonfiguren, Lampen, selbsterfundene Spiele, die sie und ihr Bruder mitgeholfen hatten zu basteln und zu erfinden, Kleidung, die er selbst genäht hatte, alles Mögliche eben. Aber der Verkauf lief nicht sonderlich gut, und öfter als jedes dritte Mal konnte er sich die Standgebühr nicht leisten, die man auf dem Markt zahlen musste, denn sonst wäre es ein Verlustgeschäft geworden.
Sie hatten nicht viel gehabt früher, und ihre Mutter war eine seltsame Frau gewesen, die sich nicht viel um sie gekümmert hatte. Sie hatte nicht viel zu tun und stand immer nur sehnsüchtig nach draußen guckend am Fenster. Sie und ihr Bruder hatten sich damit abgefunden, dass ihre Mutter nicht viel Interesse an ihnen hatte, also hatten sie sich eher an ihren Vater gehalten.
Hier auf dieser Bank hatten sie und ihr Bruder damals auch auf ihren Vater gewartet, der die nicht verkauften Sachen wieder vorsichtig in die Kisten gepackt hatte, als sie ihren Bruder dazu ermutigt und überredet hatte, sich als Nachwuchskraft am Willkürherrschaftlichen Schloss zu bewerben.
Durch das Auswahlverfahren hatte er es geschafft, und auch ein bisschen Karriere gemacht, aber er war insgesamt zu verträumt, und zu sehr mit wissenschaftlichen und sprachlichen Details beschäftigt gewesen, als dass er wirklich mit Biss hinter einer steilen Karriere her gewesen wäre. Er hatte schon immer lieber über den Unterschied zwischen Traum und Realität nachgedacht, als in der Realität seine Träume zu realisieren.
Er hatte sie damals zu sich geholt, wie abgemacht und sie hatten gemeinsam in seiner Wohnung gelebt. Sie hatte bald erkannt, dass es nie für ein luxuriöses Leben reichen würde, und sie hatte Angst vor dem Moment, in dem ihr Bruder eine Frau getroffen hätte, denn dann hätte sie seine Wohnung wieder verlassen müssen.
Da sie nicht mehr in die ärmlichen Verhältnisse in der Stadt zurück wollte, hatte sie angefangen, sich nach einem Mann umzusehen.
Eines Abends hatte sie dann General Faulidös kennen gelernt. Seitdem hatte sie ein Ziel und eine Hoffnung, ihr Leben anders verbringen zu können, als es ihre Mutter getan hatte.
Und sie hatte es jetzt tatsächlich und endlich geschafft, ihr Ziel zu erreichen: sie war Willkürherrscherin, nein, sie war sogar Willküra. Ja, sie hatte es geschafft, sogar einen eigenen Namen zu haben schon während ihrer Regierungszeit, und sie würde den Willkürherrschaftlichen Staat nun so revolutionieren und verbessern, dass von keinem anderen Staat je Gefahr drohen könnte. Mit den NegEm die das Volk selbst produzierte, würden sie sich auch selbst beschützen.
Das Böse für das Gute!, dachte Willküra und hatte das Gefühl, dass sie für diesen Posten auserwählt war.
Sie war die Willkürherrscherin, weil kaum ein anderer je begriffen hatte, dass das Böse für das Gute zu kanalisieren möglich war. Und damit der Staat nie, auch wirklich nie in Gefahr geraten würde, würde sie auch die Universumherrschaft anstreben und die drei Staaten, die vormals einer gewesen waren, wieder zu einem Staat einen.
Sie atmete tief ein. Morgen schon würde die Luft hier wahrscheinlich anders sein, denn das komplette Milieu hier in der Stadt würde sich ändern. Vielleicht würde es bedeutend wärmer werden, und das Atmen erschwert, dachte sie. Unwahrscheinlich war das nicht, für eine Beschleunigung des Verfallprozesses, den sie ja anstrebte, war das sogar sehr wahrscheinlich.
Ein letztes Mal noch hatte sie hier in ihrer alten Stadt vorhin noch einen jungen Mann verführt, und, das musste sie zugeben, nicht wenig Spaß dabei gehabt.
Sie grinste. Die Latte für Gerolat lag jetzt noch mal ein bedeutendes Stück höher als zuvor!
92
Fürchtedich IX. stand am weißen Tor zur Stadt. Er hatte es bereits aufgeschlossen, und erwartete jeden Moment Raja, die Kursleiterin und Amanus.
Er hatte sie avisiert, selbst hierher zu kommen, denn er wollte nicht das Risiko eingehen, dass er Willküra in der Stadt über den Weg laufen würde.
Bis jetzt hatte sie ihn verschont, was ihn freute, denn das deutete darauf hin, dass sie noch zu Gefühlen fähig war, die nicht eindeutig mit Befehlen zu tun hatten.
Am Ende kann man mit ihr vielleicht tatsächlich verhandeln oder diskutieren und muss nicht bis zum Äußersten gehen, dachte Fürchtedich IX.
Aber wenn es dazu käme, wer von ihnen würde denn überhaupt bis zum Äußersten gehen und Willküra im Zweifel eliminieren?
Er selbst
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