Willst du dein Herz mir schenken
Wäre Teresa wach gewesen, hätte sie die Ankündigung dessen, was folgen würde, in Form eines Telefonklingelns schon zur Kenntnis nehmen können, was eventuell eine kleine Warnung gewesen wäre. Aber sie war nicht wach. Teresa schlief den ganzen Tag. Sie hörte weder das Klingeln des Telefons, noch erfuhr sie davon, dass weitere Veränderungen bereits begonnen hatten, da am Morgen die Bauarbeiter auf der Burg anfingen, ihre Arbeit zu verrichten. Sie schlief einen tiefen, traumlosen Schlaf, der sie komplett aus dem Reich des Bewusstseins entführte. Aber selbst wenn sie wach gewesen wäre und das Telefonat angenommen hätte, ist es fraglich, ob sie das ganze Ausmaß der kommenden Umstürze hätte verhindern können. Wahrscheinlich wäre nur alles etwas früher eingetreten.
Als sie am Nachmittag schließlich aus ihrem Schlaf erwachte, stand sie mit wackligen Beinen aus ihrem Bett auf, streckte sich mehrere Male, so dass es in ihrer Wirbelsäule zweimal leise knackte, dann ging sie hinüber ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Als sie dann schließlich erfrischt und umgezogen in der großen Küche des Hauses erschien, fand sie ein ungewöhnliches Pärchen am Herd vor. Ihre Großmutter, die inzwischen ihre Zähne wieder komplett im Mund hatte, stand mit Christopher Benkins alias Graf Christopher von Woog vor einem großen, dampfenden Topf und ließ sich erklären, wie man auf der Insel Woog Rinderfilet zart wie Puddingcreme zubereitete. Als die beiden sie sahen, ließen sie jedoch sofort von ihrer kochkünstlerischen Tätigkeit ab und setzten sich mit ihr an den Tisch.
»Hast du denn gut geschlafen, Teresa«, fragte ihre Großmutter, während der ehemalige Graf Teresa ein Stück Kuchen herüber schob, offensichtlich der Rest vom Nachmittagskaffee.
»Danke«, antwortete Teresa und stopfte sich den Kuchen in den Mund. Denn seit dem Anblick des dampfenden Topfes hatte ihr Magen ein unüberhörbares Knurren von sich gegeben
»Der junge Mann hier hat mir von den kulinarischen Spezialitäten seiner Heimat erzählt«, fuhr die Großmutter fort. »Er war viele Jahre der Koch des Grafen, hat er erzählt.«
Teresa sah erstaunt und verwundert zu Christopher, der verlegen die Krümel zählte, die inzwischen nur noch vom Kuchen übrig geblieben waren.
Teresa schluckte den letzten Bissen des Kuchens hinunter, bevor sie leichthin fragte: »Von welchem Grafen?«
Diese Frage war eigentlich mehr an Christopher gerichtet, da sie die Antwort ihrer Großmutter bereits ahnte.
»Vom Grafen von Woog«, lautete auch tatsächlich die ahnungslose Erklärung der Großmutter, während der Graf das Zählen einstellte und stattdessen einen schuldbewussten Blick auflegte, der sich von den Krümeln löste und zu Teresa wanderte.
Teresa versuchte zu lächeln. »Das hat er mir noch gar nicht erzählt, dass er Koch war. Er hat mir eine Menge noch nicht erzählt. Vielleicht möchte er mir jetzt davon berichten?«
Christopher sah sie mit großen Augen an, während Teresa aufstand und eine leichte Kopfbewegung Richtung Tür machte. Der Graf begriff.
»Ja, ich kann jetzt davon erzählen.« Er erhob sich vom Tisch und ging mit Teresa zur Tür. Teresa sah ihre Großmutter entschuldigend an. »Tut mir leid, aber wir müssen noch etwas klären.«
Teresas Großmutter stand ebenfalls auf. »Schon klar. Ich war doch auch mal jung. Jetzt bewache ich nur noch den Braten.« Sie lachte verschmitzt, während Teresa den Raum verließ und mit Christopher hinaus in den Garten ging. Die Sonne schien noch hell am Himmel, neigte sich aber bereits dem Horizont entgegen. Der Abend war nicht mehr fern. Im Gewächshaus hörte Teresa die Stimmen ihrer Eltern. Noch bevor Teresa etwas sagen konnte, begann Christopher mit seiner Erklärung. »Ich habe immer für meinen Vater gekocht. Es war kein offizieller Job, und mein Vater bezeichnete sich auch nur fälschlicherweise als Graf, aber ich war sein Koch. Insofern war es nicht gelogen. Nicht ganz jedenfalls«, fügte er schnell hinzu. Teresa schüttelte den Kopf und wollte eine lange Rede als Antwort darauf beginnen, die ungefähr zum Inhalt haben sollte, dass sie enttäuscht war, dass er schon wieder sein Versprechen gebrochen hatte und sie alles bei ihrer Familie aufklären wollte, aber sie kam nicht dazu. Dieses Mal klingelte nicht ihr Telefon, um das Kommende anzukündigen, dieses Mal war es die Türglocke. Nur wenige Sekunden später tönte die Stimme der Großmutter durch das Haus, die nach Teresa
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