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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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mich nicht kennen, und bestritt, den Namen Martin Kunstmann jemals gehört zu haben, geschweige denn, dass sich ein solcher in den heiligen Räumen der Kirche für angewandte Philosophie aufhielte.
    »Wollen Sie leugnen, dass wir gestern miteinander geplaudert haben?«, fuhr ich ihn an, als es mir zu bunt wurde.
    Er schaute mich indigniert an. »Ich habe Sie noch nie gesehen.«
    Ich bewunderte seine Beherrschung.
    Nun mischte sich der Polizist ein, mit dem ich zuerst gesprochen hatte und der sich im Gespräch mit Horst als Peter entpuppte: »Herr Wilsberg behauptet, dass er gestern in diesem Haus war und mit Herrn Kunstmann gesprochen hat.«
    Der Ordensmann guckte leicht belustigt. »Demnach steht Behauptung gegen Behauptung. Ich kann aber gerne einige meiner Mitarbeiter rufen lassen. Alle werden Ihnen bestätigen, dass es hier keinen Kunstmann gibt.«
    »Dann haben Sie bestimmt nichts dagegen, wenn wir uns ein bisschen umsehen?«, grummelte Horst, ganz der bärbeißige Bulle.
    »Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«, fragte der Schwarzling und zog die Augenbrauen hoch.
    »Nein«, gab Horst zu.
    »Dann muss ich Ihnen leider den Eintritt verwehren. Das hier ist eine therapeutische Einrichtung. Polizisten, die Fragen stellen, könnten unsere Patienten unnötig aufregen.«
    »Das ist ein Gefängnis und keine Klinik«, brüllte ich.
    Peter zog mich am Ärmel.
    Auf der Rückfahrt hingen wir unseren Gedanken nach.
    »Schon seltsam, diese Sektenfritzen«, sagte Horst nach einer Weile.
    »Und Sie bleiben dabei, dass Sie mit Kunstmann geredet haben?«, fragte Peter.
    »Selbstverständlich. Fragen Sie Kunstmanns Frau! Die wird Ihnen bestätigen, dass er von der Sekte festgehalten wird.«
    »Ich ruf den Staatsanwalt an«, entschied Peter. »Mal sehen, vielleicht kriegen wir ja eine Hausdurchsuchung.«
    »Tun Sie das! Und behalten Sie die Fähre im Auge! Kann gut sein, dass sie Kunstmann wegschaffen wollen.«
    Die Frau am Empfang gab mir den Zimmerschlüssel mit spitzen Fingern, sagte aber nichts. Im Zimmer schälte ich mich aus dem Clochardkostüm und ging ins Bad. Obwohl mir genug Dinge einfielen, die erledigt werden mussten, gönnte ich mir zuerst das versprochene heiße Bad. Zehn Minuten lang war die Welt wieder in Ordnung.
    Nachdem ich meine ausgetrocknete Haut einer Behandlung unterzogen hatte, griff ich zum Telefon. Sigi nahm nach dem ersten Läuten ab.
    »Georg! Ich dachte schon, die KAP hätte dich verschleppt.«
    »Nein. Ich habe mir nur eine tödliche Grippe eingefangen, bin betäubt und den Möwen zum Fraß vorgeworfen worden.«
    Sigi lachte. Humor besteht zu hundert Prozent aus Schadenfreude.
    Ich klärte Sigi auf und bat sie, mich mit ihrem Wagen abzuholen. Schließlich hatte ich keinen Pfennig Geld in der Tasche und musste am Abend auf dem Domplatz sein, um dem Juwelier Hagedorn 100.000 Mark abzunehmen. Dann rief ich bei Anja Kunstmann an. Sie war nicht zu Hause.
    Während der Fahrt nach Münster verbrauchte ich zwei Päckchen Papiertaschentücher. Wir hielten an zwei Raststätten, und ich versuchte zweimal, Anja Kunstmann anzurufen. Erfolglos. Sigi erzählte von dem Ärger mit dem Steuerberater, da ich natürlich vergessen hatte, nach dem braunen Aktenkoffer zu suchen, in dem sich ein paar wichtige Belege befanden. Ich fragte nach Hagedorn. Koslowski und Eger hatten die Observierung fortgesetzt, obwohl wir ja inzwischen wussten, dass er sich selbst beklaut hatte. Aber für den Fall der Fälle, Selbstmord oder Flucht ins Ausland, sollten die beiden in der Nähe sein, um notfalls eingreifen zu können. Ich rechnete allerdings nicht damit, und Sigi bestätigte, dass der gute Hagedorn seine tägliche Arbeit verrichtete, als gäbe es keine Erpresser auf der Welt.
    Kurz vor Greven kamen wir in einen Stau, und beim schrittweisen Vorrücken sahen wir, dass mehrere Autofahrer ihre Bremssysteme überschätzt hatten.
    Langsam rückte der Stundenzeiger auf die acht zu, und ich wurde etwas nervös. »Hast du Hjalmar instruiert?«, erkundigte ich mich.
    Sigi nickte. »Seit sieben Uhr beobachtet er den Domplatz. Um fünf vor acht ist er vor dem Büro.«
    Punkt fünf vor acht sprang ich aus Sigis Auto. Hjalmar Koslowski stand auf dem Prinzipalmarkt wie ein Zoowärter im Löwengehege, unerschütterlich.
    »Hallo, Hjalmar!«, rief ich.
    »Gut, dass du kommst. Ich dachte schon, ich müsste den Kies alleine holen.« Er zog den Arm aus seiner braunen Lederjacke und reichte mir eine riesige Pfote.
    »Dann wollen wir mal«, sagte ich.

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