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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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etwas Wasser in die Augen zu spritzen. Dann zog ich mich an, warf zwei Aspirin in ein Glas Wasser und munitionierte die Espressomaschine. Zuerst trank ich die Aspirin, dann den Espresso. Das war das Frühstück. Ich behielt es bei mir.
    »Doktor Gross wartet bereits auf Sie«, sagte die Sekretärin, als ich in der siebten Etage der Sächsischen Versicherung ankam.
    »Wilsberg, na endlich!«, begrüßte mich Gross, als ich sein Spielfeld von Büro betrat. »Ihre Sekretärin vertröstet mich seit Tagen. Ich dachte schon, Sie wären untergetaucht.«
    »Wegen eines anderen Falles musste ich nach Norderney.«
    »Ihr Privatdetektive habt's doch gut: frische Luft, schöne Frauen, aufregende Geschichten.«
    Ich lachte gequält.
    »Und?« Er zeigte auf meine Aktentasche. »Haben Sie da was für mich? Ihre Sekretärin machte so eine Andeutung.«
    Ich öffnete die Aktentasche und ließ ihn einen Blick hineinwerfen. Als er die vielen Scheine sah, stieß er einen Pfiff aus.
    »Lassen Sie mich raten! Das Geld stammt von Hagedorn.«
    »Richtig.«
    Sofort hob er den Zeigefinger und legte ihn vor seinen breiten Mund, wobei seine Augen in alle möglichen Richtungen guckten.
    »Kein Wort mehr, Herr Wilsberg! Passen Sie auf, wir machen das so: …« Es folgten einige Regieanweisungen, die seine langjährige Routine verrieten. Andererseits hätte er mit ruhigem Gewissen einen Eid schwören können, dass in seiner Gegenwart nie von illegalen Methoden die Rede gewesen sei.
    Um halb zwölf meldete die Sekretärin das Eintreffen des Juweliers Hagedorn.
    »Herein mit ihm!«, donnerte Gross fröhlich in die Sprechanlage und rieb sich die Hände. Dann sprang er auf und eilte zur Tür.
    »Herr Hagedorn! Schön, Sie zu sehen!«
    Der Greis blinzelte erstaunt, als er das schielende Vorstandsmitglied der Sächsischen Versicherung sah. So viel Freude über die Ausgabe eines 500.000 Mark-Schecks hatte er nicht erwartet.
    »Ich dachte, dass ich …«, stammelte er.
    »Kommen Sie doch herein!«, sagte Gross jovial und nahm den alten Mann am Arm.
    Auf dem Weg zur Besucherecke entdeckte Hagedorn mich. Wie Frau Lot erstarrte er zur Salzsäule.
    »Das ist Herr Wilsberg«, plauderte Gross weiter. »Sie kennen sich vielleicht?«
    Hagedorn hatte Mühe mit den letzten Schritten. Wie ein nasser Sack plumpste er auf das Sofa.
    »Oh, meine Herren«, jammerte Gross gekünstelt. »Ich habe meine Unterlagen vergessen. Ich glaube, ich muss Sie ein paar Minuten allein lassen. Möchten Sie Kaffee, Cognac?«
    Ich sagte »Nein, danke!«, Hagedorn sagte gar nichts.
    Als Gross draußen war, nahm ich die Aktentasche und warf sie auf den Tisch. »Ihre Hunderttausend, Herr Hagedorn.«
    Er sah aus wie jemand, der sechs Richtige im Lotto hat und dann erfährt, dass die Lottoannahmestelle abgebrannt ist.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie nehmen die Hunderttausend und ziehen Ihre Schadensmeldung zurück. Dann vergessen wir die ganze Geschichte.«
    Gross kam zurück und hüpfte herum wie ein Heinzelmännchen. »Na, meine Herren, haben Sie sich gut unterhalten?«
    »Ich ziehe die Schadensmeldung zurück«, flüsterte Hagedorn.
    »Ach! Tatsächlich? Na ja, das kann jedem mal passieren. Man glaubt, dass man bestohlen worden ist, und dann finden sich die Sachen in der untersten Schublade wieder. Schwamm drüber, Herr Hagedorn!«
    »Was … was sagen Sie der Polizei?«
    »Wir? Der Polizei? Was haben wir mit der Polizei zu schaffen? Sie sind ein guter Kunde, Herr Hagedorn. Sie müssen selber wissen, ob Sie die Anzeige zurücknehmen wollen oder nicht. Wir halten uns da raus.«
    »Danke.«
    »Nichts zu danken, Herr Hagedorn!« Gross zog Hagedorn hoch und leitete ihn zur Tür. »War jedenfalls schön, dass Sie mal vorbeigeschaut haben. Und einen guten Tag!«
    Als er Hagedorn abgeliefert hatte, ging Gross zu seinem Schreibtisch. »Mein Gott, ich dachte schon, wir müssten den Notarztwagen rufen. Wenn man nicht den Nerv dazu hat, soll man auch keine krummen Dinger drehen.«
    Er nahm einen Scheck von der Schreibtischunterlage. »Und nun zu Ihnen, Herr Wilsberg! Der verdiente Lohn für gute Arbeit.«
    Ich las fünfzigtausend, in Buchstaben und Zahlen. Der Tag ließ sich gut an.
    Als ich zum Büro kam, stand vor dem Haus ein Polizeiwagen mit rotierendem Blaulicht, daneben ein grauer Pkw, der verdächtig nach Kripo aussah. Mein Magen meldete sich, und meine hochfliegende Stimmung flog noch höher, bis sie völlig entschwunden war. Sollte Hagedorn, dieser hundsföttische Alte, tatsächlich

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