Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin
näherte sich ein Künstler aus dem Nachbaratelier und stellte sich beschützend neben die Malerin. »Was ist los? Macht der Typ Ärger?«
Ich blieb ruhig und wiederholte das Wesentliche.
»Wilsberg?« Er nahm meine Visitenkarte in die Hand. »Ich glaube, ich habe von Ihnen gehört. Arbeiten Sie für die Rechtsanwältin Holtgreve?«
Ich bejahte, obwohl mir die Formulierung der Frage nicht gefiel.
»Die Holtgreve ist in Ordnung«, teilte der Künstler seiner Kollegin mit. »Sie hat ein Ausstellungshonorar für mich eingeklagt und mir erzählt, dass sie früher für Wilsbergs Detektivbüro gearbeitet hat. Ich denke, du kannst ihm vertrauen.«
Die Malerin gab sich einen Ruck. »Lena war heute Morgen hier. Sie hat sich von mir verabschiedet und gesagt, dass sie aus der Stadt verschwinden will.«
»Hat sie erwähnt, wo sie hinwill?«
»Nein. Aber ...« Sie zögerte. »Sie ist in ein Auto gestiegen.«
»In ein Auto?« In meinem Kopf schrillten Alarmsirenen.
»Ich dachte, sie hätte sich abholen lassen.«
»Sind Sie sich sicher?«
Die Frau war blass geworden. »Nein. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.«
»Können Sie das Auto beschreiben?«
»Ein blauer Kombi.« Sie ging zum Fenster und zeigte nach draußen. »Ich habe hier gestanden. Sehen Sie die Autowracks da hinten? Lena verschwand hinter den Wracks und kurz darauf fuhr der blaue Kombi weg. Sie muss eingestiegen sein, sonst hätte ich sie anschließend auf dem freien Feld gesehen. Ich habe mich noch gewundert, warum der Wagen nicht vor dem Haus gewartet hat. Dann habe ich mir das so erklärt, dass Lena nicht verraten wollte, mit wem sie wegfährt.«
Die Entfernung war zu groß gewesen, um Insassen oder das Nummernschild des Autos erkennen zu können.
»Oh, mein Gott!« Sie schüttelte den Kopf. »Wir müssen die Polizei verständigen.«
»Ich werde mit dem Verantwortlichen reden«, versprach ich. »Bislang wird Lena nur als Zeugin gesucht.«
»Und wenn man sie entführt hat?«
»Das wissen wir nicht«, versuchte ich ihre Aufregung zu dämpfen. »Es ist ja auch möglich, dass sie tatsächlich freiwillig mitgefahren ist.«
»Haben Sie nicht selbst gesagt, dass ihr Freund ermordet worden ist?«
So kam meine eigene Gesprächsstrategie als Bumerang zurück. Ich bereute schon, dass ich ihr Angst eingejagt hatte. »Die Polizei ermittelt noch«, wich ich aus. »Kann sein, dass es für alles eine harmlose Erklärung gibt.«
Sie glaubte mir nicht und ich glaubte mir selbst nicht.
»Rufen Sie mich an, sobald Sie etwas von Lena hören!« Ich gab ihr die Hand. »Hoffen wir, dass die Geschichte gut ausgeht.«
Die Entwicklung gefiel mir überhaupt nicht. Wem gehörte der blaue Kombi? Hatte Lena sich mit jemandem verabredet? Oder hatte man ihr aufgelauert? Was Hauptkommissar Stürzenbecher dazu sagen würde, konnte ich mir lebhaft vorstellen: Es gibt überhaupt keinen Mord, Wilsberg. Warum soll ich nach einer erwachsenen Frau fahnden lassen, die niemand vermisst gemeldet hat? Hast du irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass sie sich in Gefahr befindet? Und was sollte ich ihm antworten? Dass ich ein verdammt ungutes Gefühl hatte?
Neben der Straße, die vom Hawerkampgelände zum Albersloher Weg führte, stand eine Galerie von Wahlplakaten. Auf Gottfried Gubers Glatze hatte jemand ein Hakenkreuz gemalt und sein makelloses Lächeln wurde von einem Hitlerbärtchen verunziert.
Ich fand einen Parkplatz direkt vor meinem Haus. Zwanzig Meter entfernt saßen zwei Männer in einem Auto. Sie unterhielten sich angeregt und schienen sich nicht für mich zu interessieren. Außerdem war es kein blauer Kombi, sondern eine Limousine in Silber metallic.
Im Büro blinkte der Anrufbeantworter. Nora Gessner bat um einen Rückruf. Mir fiel kein Grund ein, ihn noch länger hinauszuschieben, also berichtete ich ihr, was passiert war. Sekundenlang hörte ich nur ihren Atem.
»Das klingt nicht gut«, sagte sie schließlich. Sie machte mir keine Vorwürfe. Das war auch nicht nötig.
»Geben Sie mir die Erlaubnis, die Polizei zu informieren«, bat ich. »Ohne die Polizei kommen wir jetzt nicht mehr weiter.«
»Müssen Sie den Bilddiebstahl erwähnen?«
»Nicht unbedingt. Aber ich muss den Beamten Lenas Namen und Foto geben. Und eine gute Begründung, warum sie nach ihr fahnden sollen.«
»Wenn es hilft: Die Polizisten können mich jederzeit anrufen.«
»Gut. Ich melde mich, sobald ich etwas von Lena höre.«
Ich legte den Hörer auf. Zwischen dem Telefon und dem Computer stand
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