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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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können. Drummer meint, man sollte es sich wenigstens mal ansehen. Mal was anderes als diese ewigen Agenturfotos.»
    «Aha. Wenn Sie schon keinen Exklusivbericht haben, ist ein Exklusivbild besser als nichts. Das Mädchen scheint immerhin seine fünf Sinne beieinander zu haben. Eine Freundin des Künstlers?»
    «Nein – sie sagt, er wird ihr wahrscheinlich furchtbar böse sein, daß sie uns davon erzählt hat. Aber das biege ich schon hin. Es wäre nur schön, wenn Sie mitkämen und es sich mal ansähen. Damit Sie mir sagen können, ob ich schreiben soll, daß es ein unentdecktes Meisterwerk ist, oder nur gut getroffen.»
    «Wie kann ich sagen, ob es gut getroffen ist, wenn ich den Kerl selbst nie gesehen habe?»
    «Schreiben werde ich das auf jeden Fall. Aber ich wüßte gern, ob es gut gemalt ist.»
    «Hol’s der Geier, Sally, was spielt es denn für eine Rolle, ob es gut gemalt ist oder nicht? Ich habe anderes zu tun. Wer ist denn im übrigen der Künstler? Jemand, von dem man schon gehört hat?»
    «Weiß ich doch nicht. Ich habe den Namen hier irgendwo.» Sally kramte in seiner Hüfttasche und holte einen Packen angeschmutzter Korrespondenz hervor, deren Ecken durch ständigen Abrieb schon ganz rund waren. «Irgendein komischer Name wie Buckel oder Schlangenzahn – Moment – da ist er. Crowder. Thomas Crowder. Wußte ich doch, daß es irgend so was Abartiges war.»
    «Ungeheure Ähnlichkeit mit Buckel oder Schlangenzahn. Also gut, Sally, ich werde mich zum Märtyrer machen. Führen Sie mich hin.»
    «Trinken wir rasch noch einen. Da kommt Warren. Lord Peter Wimsey. Das geht auf mich.»
    «Auf mich», verbesserte ihn der Fotograf, ein abgestumpfter junger Mann mit desillusioniertem Gehabe. «Drei große White Labels, bitte. Also, sehr zum Wohl. Bist du soweit, Sally? Dann sollten wir uns nämlich lieber auf die Socken machen. Ich muß um zwei wieder bei der Beerdigung in Golders Green sein.»
    Mr. Crowder von der Agentur Crichton schien schon von Miss Twitterton ins Bild gesetzt worden zu sein, denn er empfing die Abordnung mit der Miene des stillen Dulders.
    «Der Direktion wird das wenig gefallen», meinte er, «aber die haben schon soviel über sich ergehen lassen müssen, daß sie wegen einer Unregelmäßigkeit mehr oder weniger wohl auch nicht gleich der Schlag trifft.» Er hatte ein ängstliches, gelbes kleines Gesicht wie ein Affe. Wimsey schätzte ihn auf Ende Dreißig. Er bemerkte seine feingliedrigen, geschickten Hände, deren eine ein Heftpflaster verunzierte.
    «Haben Sie sich verletzt?» fragte Wimsey freundlich, als sie nach oben gingen, wo das Atelier war. «Das dürfen Sie sich nicht zur Gewohnheit machen. Die Hände eines Künstlers sind sein Lebensunterhalt – mal abgesehen natürlich von Mund- und Fußmalern und so. Muß furchtbar anstrengend sein, mit den Zehen zu malen.»
    «Ach, es ist weiter nichts Schlimmes», sagte Crowder. «Ich sollte nur aufpassen, daß keine Farbe in die Kratzer kommt. Es gibt so etwas wie Bleivergiftung. Also, hier ist dieses Gekleckse, wie es leibt und lebt. Ich will Ihnen gern gestehen, daß es dem Abgebildeten nicht gefallen hat. Genauer gesagt, er wollte es um keinen Preis haben.»
    «Nicht schmeichelhaft genug?» fragte Hardy.
    «Sie sagen es.» Der Maler zog eine etwa neunzig mal hundertzwanzig Zentimeter große Leinwand aus ihrem Versteck hinter Plakatentwürfen hervor und hob sie auf die Staffelei.
    «Oh!» sagte Hardy, gelinde überrascht. Für diese Überraschung gab es allerdings keinen eigentlichen Grund, soweit es das Gemälde an sich betraf. Es war eine nüchterne Arbeit, und die Originalität und Geschicklichkeit der Pinselführung waren von der Art, die den Künstler interessiert, ohne den Laien zu verschrecken.
    «Oh!» machte Hardy noch einmal. «Sah er so wirklich aus?»
    Er trat näher an die Leinwand heran und sah in das abgebildete Gesicht, wie er in das Gesicht eines lebenden Menschen geschaut hätte, in dem er etwas zu erkennen hoffte. Unter seinem mikroskopischen Blick löste das Gemälde sich auf, wie es der Gemälde Art ist, und wurde mehr und mehr zu einem Konglomerat von farbigen Tupfern und Streifen. Er entdeckte, daß für das Auge des Malers das menschliche Gesicht voller grüner und roter Flecken sein mußte.
    Er trat wieder zurück und formulierte seine Frage neu.
    «So war er also?»
    Er nahm sein Foto von Plant aus der Tasche und verglich es mit dem Porträt. Das Porträt schien seinem Erstaunen hohnzulachen.
    «Natürlich

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