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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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beliebt waren?»
    «Das müssen sie auch», antwortete Wimsey. «Es macht die Geschichte geheimnisvoller und erschütternder. Genau wie verschwundene Mädchen immer gescheit und häuslich sind und keine Männerbekanntschaften haben.»
    «Ist das nicht albern, wie?» meinte Miss Twitterton, den Mund voll Bratente und grünen Erbsen. «Ich könnte mir vorstellen, daß alle heilfroh sind, Plant los zu sein – er war ein ekliger, ungezogener Kerl. Und so gemein. Immerzu hat er sich anderer Leute Federn an den Hut gesteckt. Die armen Jungs im Atelier – allen Mumm hat er aus ihnen rausgequetscht. Ich sage immer, Lord Peter, ob ein Abteilungsleiter für seinen Posten etwas taugt, das merkt man am Arbeitsklima in seiner Abteilung, gleich wenn man reinkommt. Nehmen Sie mal die Textabteilung. Da sind wir alle so fröhlich und freundlich, wie man es sich nur wünschen kann, obwohl ich sagen muß, daß der Ton, der da herrscht, schon manchmal schlimm ist, aber diese Texter sind nun mal so, und die meinen das gar nicht böse. Aber Mr. Ormerod ist eben auch ein echter Gentleman – das ist der Chef der Textabteilung –, und der sorgt auch dafür, daß alle wirklich Interesse an ihrer Arbeit haben, und wenn sie noch so sehr über die Käsewerbung und den Warenhausschund maulen, den sie produzieren müssen. Aber im Atelier ist das ganz anders. Da kommt einem alles so tot vor, wenn Sie verstehen, wie ich das meine. Wir Schreibmamsellen merken so etwas besser, als die da oben sich das träumen lassen. Sicher, ich bin für solche Gefühle auch sehr empfänglich – man hat mir schon gesagt, ich hätte einen sechsten Sinn dafür.»
    Lord Peter sagte, niemand könne einen Menschen so gut auf den ersten Blick durchschauen wie eine Frau. Frauen seien nach seinem Eindruck erstaunlich intuitiv.
    «Das stimmt allerdings», sagte Miss Twitterton. «Ich hab schon oft gesagt, wenn ich nur mal ein paar offene Worte mit Mr. Crichton reden könnte, dem wüßte ich schon das eine oder andere zu erzählen. In so einem Betrieb, da tun sich Dinge unter der Oberfläche, von denen die da oben keine Ahnung haben.»
    Lord Peter sagte, davon sei er überzeugt.
    «Wie Mr. Plant die Leute behandelt hat, die seiner Meinung nach unter ihm standen», fuhr Miss Twitterton fort, «da konnte es einem schon hochkommen. Wenn Mr. Ormerod mich mal mit einer Mitteilung zu ihm geschickt hat, war ich jedenfalls immer froh, wenn ich wieder draußen war. Demütigend war das, wie er mit einem redete. Es soll mir egal sein, ob er jetzt tot ist oder nicht; daß einer tot ist, macht sein früheres Benehmen auch nicht besser, Lord Peter. Es waren ja nicht einmal so sehr die Ungezogenheiten, die er einem sagte. Mr. Birkett zum Beispiel, der redet auch ungezogen daher, aber keiner nimmt’s ihm übel. Er kommt einem vor wie ein zu groß geratener, tapsiger junger Hund – dabei ist er sanft wie ein Lämmchen. Aber Mr. Plants boshaftes Feixen, das haben wir alle so gehaßt. Und immerzu hat er die Leute fertiggemacht.»
    «Wie steht es eigentlich mit diesem Porträt?» fragte Wimsey.
    «Sieht es ihm überhaupt ähnlich?»
    «Viel zu ähnlich», erklärte Miss Twitterton mit Nachdruck.
    «Darum hat er es ja so gehaßt. Und Crowder, den konnte er auch nicht leiden. Aber er wußte natürlich, daß er malen konnte, und da hat er ihn dazu gebracht, es zu malen, weil er dachte, er kommt da billig an was Wertvolles. Und Crowder konnte ja nicht gut ablehnen, sonst hätte Plant ihn rausschmeißen lassen.»
    «Ich hätte gedacht, das würde einem Mann von Crowders Fähigkeiten nicht viel ausmachen.»
    «Der arme Mr. Crowder! Ich glaube nicht, daß er schon viel Glück im Leben hatte. Gute Künstler können anscheinend ihre Bilder nicht immer gut verkaufen. Ich weiß, daß er einmal heiraten wollte – sonst hätte er diese Arbeit hier ja nie angenommen. Er hat mir schon ziemlich viel von sich erzählt. Ich weiß auch nicht, warum – aber ich gehöre zu den Menschen, denen Männer sich anscheinend gern anvertrauen.»
    Lord Peter füllte Miss Twittertons Glas nach.
    «O bitte, nein, wirklich nicht. Keinen Tropfen mehr! Ich rede ja so schon viel zuviel. Ich weiß nicht, was Mr. Ormerod sagen wird, wenn ich zum Diktat zu ihm reinkomme. Ich werde allen möglichen Unsinn schreiben. Ach Gott, und ich muß ja wieder zurück. Sehen Sie nur mal, wie spät es schon ist!»
    «So spät ist es noch gar nicht. Trinken Sie noch einen schwarzen Kaffee – nur zum Ausgleich.» Wimsey lächelte. «Und

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