Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
nicht lange feilschen. Ich kann mir meine bescheidenen Vergnügen leisten, selbst in diesen mageren Zeiten. Oder wollen Sie nicht, daß ich es bekomme? Heraus damit – was ist der wahre Grund?»
«Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Sie es nicht haben sollen, wenn Sie es wirklich möchten», sagte der Maler, noch immer ein wenig verdrießlich. «Wenn es wirklich das Bild ist, was Sie interessiert.»
«Was sollte mich denn sonst interessieren? Das öffentliche Aufsehen? Davon kann ich soviel haben, wie ich will – ich brauch’s nicht einmal zu wollen. Na ja, überlegen Sie sich’s, und wenn Sie sich entschieden haben, schreiben Sie mir ein paar Zeilen und nennen Ihren Preis.»
Crowder nickte wortlos, und da der Fotograf seine Arbeit inzwischen getan hatte, verabschiedete sich die Delegation.
Als sie das Haus verlassen wollten, gerieten sie mitten in den Strom der Crichton-Belegschaft, die zum Mittagessen strebte. Eine junge Frau, die sich mit bestimmter Absicht in der Eingangshalle herumgetrieben zu haben schien, sprach sie an, als der Aufzug unten ankam. «Sind Sie die Leute von den Evening Views ? Haben Sie Ihr Bild bekommen?»
«Miss Twitterton?» fragte Hardy zurück. «Ja, schon – und vielen Dank für Ihren Tip. Sie werden es heute abend auf der ersten Seite sehen.»
«Das ist ja großartig. Ich bin ganz aufgeregt. Hier hat das ja einigen Wirbel gemacht – diese ganze Geschichte. Man weiß wohl noch nicht, wer Mr. Plant nun eigentlich umgebracht hat? Oder ist die Frage furchtbar taktlos?»
«Wir rechnen jetzt jeden Augenblick mit der Nachricht von einer Festnahme», sagte Hardy. «Überhaupt muß ich jetzt, so schnell ich kann, in die Redaktion zurück und mein Öhrchen ans Telefon kleben. Sie entschuldigen mich, ja? Und – hören Sie, darf ich mal irgendwann wiederkommen, wenn nicht mehr solcher Trubel herrscht, und Sie zum Mittagessen ausführen?»
«Natürlich, gern.» Miss Twitterton kicherte. «Ich möchte ja so gern etwas über diese ganzen Mordfälle hören.»
«Dann sind Sie bei diesem Herrn an der richtigen Adresse, Miss Twitterton», sagte Hardy, Bosheit im Blick. «Gestatten Sie, daß ich Ihnen Lord Peter Wimsey vorstelle.»
Miss Twitterton geriet vor Aufregung regelrecht in Ekstase, als sie ihm die Hand reichte, und um ein Haar wäre ihr gleich die Sprache weggeblieben.
«Guten Tag», sagte Wimsey. «Wenn dieser Tölpel hier es so eilig hat, wieder in seine Klatschbude zurückzukommen, würden Sie dann zum Mittagessen auch mit mir vorliebnehmen?»
«Also wirklich –» begann Miss Twitterton.
«Er ist harmlos», sagte Hardy. «Er wird Sie bestimmt nicht in eine Lasterhöhle locken. Sehen Sie ihn sich nur mal an, was für ein freundliches, unschuldiges Gesicht er hat.»
«Also, das hab ich ja nun wirklich nicht gemeint», sagte Miss Twitterton. «Aber sehen Sie – ich habe doch nur meine alten Sachen an. Hier in diesem staubigen Laden etwas Ordentliches zu tragen, lohnt sich nämlich wirklich nicht.»
«Ach, Unsinn!» sagte Wimsey. «Besser könnten Sie gar nicht aussehen. Nicht das Kleid ist wichtig, sondern der Mensch, der es trägt. Also abgemacht. Bis später, Sally! Taxi! Wohin fahren wir? Wann müssen Sie übrigens wieder hier sein?»
«Um zwei», antwortete Miss Twitterton bedauernd.
«Dann müssen wir uns mit dem Savoy begnügen», meinte Wimsey, «das ist nicht so weit weg.»
Miss Twitterton sprang mit einem erregten kleinen Aufschrei in das wartende Taxi.
«Haben Sie Mr. Crichton gesehen?» fragte sie. «Er kam vorhin vorbei, als wir uns unterhielten. Aber ich glaube, der weiß gar nicht, wie ich aussehe. Hoffentlich nicht – sonst meint er nachher noch, mir geht es so gut, daß ich kein Gehalt mehr brauche.» Sie kramte in ihrer Handtasche. «Garantiert glänzt mein ganzes Gesicht vor Aufregung. So ein blödes Taxi – das hat ja nicht einmal einen Spiegel, und ich habe meinen neulich zerbrochen.»
Wimsey nahm feierlich einen kleinen Spiegel aus der Tasche.
«Wie gut Sie für alles gerüstet sind!» rief Miss Twitterton. «Ich fürchte, Lord Peter, Sie gehen nicht gerade selten mit Damen aus.»
«Es geht», sagte Wimsey. Er hielt es nicht für unbedingt notwendig, zu erwähnen, daß er den Spiegel zuletzt dazu benutzt hatte, die Backenzähne eines Ermordeten zu begutachten.
«Natürlich mußten sie sagen, daß er bei allen Kollegen beliebt war», erklärte Miss Twitterton. «Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, daß Ermordete immer gut gekleidet und allseits
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