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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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zuviel geredet haben Sie gar nicht. Mir hat Ihre Schilderung des Bürolebens sehr gefallen. Sie haben nämlich eine sehr lebendige Art, sich auszudrücken. Ich verstehe jetzt, warum Mr. Plant ganz und gar nicht beliebt war.»
    «Im Betrieb jedenfalls nicht – wie das woanders war, weiß ich nicht», fügte Miss Twitterton vielsagend hinzu.
    «Oho!»
    «O ja! Das war mir einer», sagte Miss Twitterton. «Und was für einer. Ein paar Freunde von mir sind ihm mal eines Abends im Westend begegnet, und die hatten hinterher nette Geschichten zu erzählen. Im Betrieb war das schon ein stehender Witz – die alte Pflanze mit den Rosenknospen. Mr. Cowley – wissen Sie, das ist der Cowley, der bei den Motorradrennen mitfährt –, der hat immer gesagt, er weiß, was er von Mr. Plants Autotouren zu halten hat. Damals, als Mr. Plant angeblich eine Tour durch Wales gemacht hatte, da hat Mr. Cowley ihn hinterher nach den Straßen ausgefragt, und nichts wußte er darüber. Mr. Cowley war nämlich wirklich da herumgefahren und wußte genau, daß Mr. Plant sein Lebtag nicht dort gewesen war, wo er angeblich gewesen sein wollte; außerdem wußte Mr. Cowley sowieso, daß er die ganze Zeit in einem Hotel in Aberystwyth gewesen war, und zwar in sehr attraktiver Gesellschaft.»
    Miss Twitterton leerte ihre Kaffeetasse und stellte sie mit trotziger Gebärde auf den Tisch.
    «So, und jetzt muß ich w irklich weg , sonst komme ich entsetzlich zu spät. Und vielen Dank auch.»
    «Nanu!» rief Inspektor Winterbottom. «Sie haben also das Porträt gekauft?»
    «Ja», sagte Wimsey. «Es ist eine schöne Arbeit.» Erbetrachtete nachdenklich die Leinwand. «Nehmen Sie Platz, Inspektor. Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen.»
    «Und ich Ihnen » , erwiderte der Inspektor.
    «Dann hören wir Ihre zuerst», sagte Wimsey mit einer Miene schmeichelhaften Interesses.
    «Nein, nein, Mylord. Nach Ihnen, bitte. Erzählen Sie.»
    Er kuschelte sich lachend in seinen Sessel.
    «Na schön», sagte Wimsey. «Meine Geschichte ist eine Art Märchen. Und wohlgemerkt – nichts ist davon bewiesen.»
    «Nur zu, Mylord. Nur zu.»
    «Es war einmal –» begann Wimsey seufzend.
    «Das ist die gute alte Art, ein Märchen anzufangen», stellte Inspektor Winterbottom fest.
    «Es war einmal», wiederholte Wimsey, «ein Maler. Er war ein guter Maler, aber die böse Fee des finanziellen Erfolges war nicht zu seiner Taufe eingeladen worden – Sie verstehen?»
    «Das ist bei Malern oft der Fall», pflichtete der Inspektor ihm bei.
    «Also mußte er eine Stelle als Werbegraphiker annehmen, weil keiner seine Bilder kaufen wollte und er, wie es in Märchen öfter vorkommt, doch unbedingt die Gänseliesel heiraten wollte.»
    «So ergeht es vielen Leuten», sagte der Inspektor.
    «Der Chef seiner Abteilung», fuhr Wimsey fort, «war ein Mensch mit einem bösen, häßlichen Herzen. Er war nicht einmal gut in seinem Beruf, aber er war eben während des Krieges auf diesen Posten gekommen, als bessere Männer an der Front waren. Wohlgemerkt, mir tut der Mann eigentlich leid. Er litt an einem Minderwertigkeitskomplex –» der Inspektor schnaubte verächtlich – «und er dachte, er könnte sich nur oben halten, indem er andere möglichst tief hinunterdrückte. So wurde er zu einem kleinen Tyrannen und Leuteschinder. Er steckte sich die Leistungen seiner Untergebenen immer an den eigenen Hut und verhöhnte und quälte sie, bis sie selbst einen noch größeren Minderwertigkeitskomplex hatten als er.»
    «Die Sorte habe ich auch schon kennengelernt», sagte der Inspektor, «und für mich ist es immer wieder ein Wunder, wie sie damit durchkommen.»
    «Ganz recht», sagte Wimsey. «Aber ich glaube, dieser Mann wäre auch weiter ganz gut damit durchgekommen, wenn er es sich nicht plötzlich in den Kopf gesetzt hätte, sich von dem Maler malen zu lassen.»
    «Schön dumm von ihm», meinte der Inspektor. «Damit machte er den Maler doch nur eitel und eingebildet.»
    «Richtig. Aber sehen Sie, dieser kleine Tyrann hatte eine faszinierende Frau im Schlepp, und er wollte das Porträt für die Dame haben. Er dachte, wenn er es von dem Maler malen ließe, bekäme er ein gutes Porträt für einen Hungerlohn. Aber dummerweise hatte er vergessen, daß ein Künstler, und wenn er sonst noch soviel mit sich machen läßt, eines immer ernst nimmt, und das ist seine Kunst. Sie ist das einzige, worin er sich auf keine faulen Kompromisse einlassen kann.»
    «Mag sein», sagte der Inspektor. «Ich

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