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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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restlos glücklich mit mir und hat sich so darauf gefreut und –« »Worauf?« fragte Harriet.
    »Na, auf unsere Heirat«, sagte Mrs. Weldon, als sei das eine Selbstverständlichkeit.
    »Ach so, ja. Entschuldigung. Ich wußte nicht, daß Sie heiraten wollten. Wann?«
    »In zwei Wochen. Sowie es bei mir möglich war. Wir waren so glücklich – wie Kinder –«
    Wieder sammelten sich Tränen in Mrs. Weldons Augen.
    »Ich will Ihnen alles erzählen. Im Januar bin ich hierhergekommen. Ich war sehr krank gewesen, und der Arzt sagte, ich brauchte ein mildes Klima, und ich hatte die Riviera so satt. Da wollte ich es zur Abwechslung mal in Wilvercombe versuchen. Also bin ich hierhergekommen.
    Es ist wirklich ein sehr hübsches Hotel, und ich war schon einmal mit Lady Hartlepool hier, aber die ist voriges Jahr gestorben. Und am ersten Abend, als ich hier war, ist Paul gekommen und hat mich zum Tanz aufgefordert. Es war, als wenn wir einfach zueinander gehörten. Wir haben uns nur einmal angesehen und wußten, daß wir uns gefunden hatten. Er war auch einsam. Jeden Abend haben wir miteinander getanzt. Wir haben weite Ausflüge zusammen gemacht, und er hat mir alles über sein trauriges Leben erzählt. Wir lebten beide im Exil, jeder auf seine Art.«
    »Ja richtig – er stammte aus Rußland.«
    »Ja, als kleines Kind ist er herübergekommen. Der arme Junge. Er war nämlich eigentlich ein Prinz, müssen Sie wissen – darüber mochte er nur nicht sprechen. Höchstens einmal andeutungsweise. Es war ihm schon sehr arg, zu einem Eintänzer heruntergekommen zu sein. Ich habe ihm – als wir uns schon besser kannten – gesagt, daß er jetzt Prinz in meinem Herzen ist, und der Ärmste hat gesagt, das sei ihm mehr wert als eine Kaiserkrone. Er liebte mich so sehr. Manchmal hat er mir richtig Angst gemacht. Die Russen sind ja so leidenschaftlich.«
    »Natürlich, natürlich«, sagte Harriet. »Und Sie hatten keine Meinungsverschiedenheit oder etwas Ähnliches, was ihn veranlaßt haben könnte –?«
    »O nein ! Wir harmonierten doch so wunderbar zusammen. Wir haben vorgestern abend noch miteinander getanzt, und er hat mir ins Ohr geflüstert, daß eine große, herrliche Veränderung in seinem Leben eintreten werde. Er war vor Aufregung kaum zu halten. Er konnte sich natürlich auch schon über Kleinigkeiten furchtbar erregen, aber das war jetzt eine echte, große Aufregung und Freude. Wie hat er gut getanzt an diesem Abend! Er hat gesagt, sein Herz ist so voll Freude, daß er das Gefühl hat, auf Luft zu tanzen. Und er hat gesagt: ›Morgen muß ich vielleicht von hier fortgehen – ich kann dir aber nicht sagen, wohin oder warum.‹ Ich habe ihn auch nicht gefragt, denn das hätte alles verdorben, aber was er meinte, wußte ich natürlich. Er wollte das Aufgebot bestellen, damit wir in zwei Wochen heiraten konnten.«
    »Wo wollten Sie heiraten?«
    »In London. Natürlich in der Kirche, denn das Standesamt finde ich so bedrückend. Sie nicht? Dazu mußte er natürlich in der Pfarre wohnen – das hatte er mit dem Fortgehen gemeint. Wir wollten nicht, daß hier jemand unser Geheimnis im voraus kannte, denn das hätte so ein häßliches Gerede geben können. Sie sehen ja, ich bin ein bißchen älter als er, und da sagen die Leute immer so böse Dinge. Ich hatte ja selbst ein wenig Bedenken, aber Paul hat immer gesagt: ›Auf das Herz kommt es an, Blümchen‹ er hat mich immer Blümchen genannt, weil ich Flora heiße – ein schrecklicher Name, ich weiß gar nicht, was sich meine Eltern, Gott hab’ sie selig, dabei gedacht haben ›auf das Herz kommt es an, und dein Herz ist gerade erst siebzehn.‹ Es war lieb von ihm gemeint, aber es stimmte auch. Wenn ich mit ihm zusammen war, fühlte ich mich wie siebzehn.«
    Harriets Antwort war ein unverständliches Murmeln. Diese Unterhaltung war ihr fürchterlich. Es war alles so abstoßend, so erbärmlich, so künstlich und doch erschreckend wirklich; eine Groteske und zugleich mehr als eine Tragödie. Sie wollte das Gespräch um jeden Preis beenden, aber ebenso wollte sie um jeden Preis in diesem grellbunten Knäuel des Widersinns ein paar rote Fäden finden.
    »Er hat nie eine Frau geliebt, bevor er mich kennenlernte«, fuhr Mrs. Weldon fort. »Die erste Liebe eines jungen Mannes hat so etwas Frisches und Heiliges. Sie ist – nun ja, fast etwas Ehrfurchteinflößendes. Er war eifersüchtig wegen meiner früheren Ehe, aber ich habe ihm gesagt, das brauche er nicht. Ich war noch so ein

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