Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
hat er sich sehr geärgert. Er sagte, ein Freund von ihm habe das aus Jux getan. Ich habe ihm mehrmals angeboten, den Schaden beheben zu lassen, Sir, aber nachdem sein Zorn sich gelegt hatte, hat er gemeint, es sei nicht so wichtig. Er hat den Hut nicht oft getragen, Sir. Und außerdem hat er gemeint, er sehe nicht ein, wieso er als lebende Reklame für seinen Hutmacher herumlaufen soll.»
«Wußten Sie, daß in seinem Frack ebenfalls das Schneideretikett fehlte?»
«Wirklich, Sir? Nein, das ist mir nicht aufgefallen.»
«Was war Mr. Mountjoy für ein Mensch?»
«Er war ein sehr angenehmer Herr, Sir. Es tut mir sehr leid, zu hören, daß ihm so ein trauriges Unglück zugestoßen ist.»
«Wie lange hat er hier gewohnt?»
«Sechs oder sieben Jahre, glaube ich, Sir. Ich selbst bin erst seit vier Jahren hier.»
«Wann wurde ihm dieser Streich mit dem Zylinder gespielt?»
«Vor etwa anderthalb Jahren, Sir, wenn ich mich recht erinnere.»
«Schon vor so langer Zeit? Ich hätte den Hut für neuer gehalten.»
«Nun, Sir, wie gesagt, er hat ihn höchstens ein- oder zweimal die Woche getragen. Und auf die Mode seiner Hüte hat Mr. Mountjoy nie Wert gelegt. Er liebte eine bestimmte Form und hat alle seine Hüte in dieser Art machen lassen.»
Parker nickte. Das wußte er schon von dem Hutmacher und von Wimsey, aber es war immer gut, der Sache auf den Grund zu gehen. Er hatte noch nie erlebt, daß Wimsey sich in bezug auf Kleidung geirrt hatte.
«Also gut», sagte er. «Wie Sie sich gewiß denken können, Withers, wird Mr. Mountjoys Tod noch Gegenstand einer Untersuchung sein. Sagen Sie Außenstehenden so wenig wie möglich darüber. Sie werden mir alle Wohnungsschlüssel aushändigen, und ich werde die Wohnung für ein paar Tage in die Obhut der Polizei geben.»
«Sehr wohl, Sir.»
Parker blieb noch, bis er Namen und Adresse des Haus
besitzers hatte, dann überließ er Lumley seiner Arbeit. Von dem Hausbesitzer erfuhr er sehr wenig. Mr. Mountjoy, ohne Beruf, habe die Wohnung vor sechs Jahren gemietet. Er habe regelmäßig seine Miete bezahlt. Es habe nie Klagen über ihn gegeben. Über Mr. Mountjoys Freunde und Verwandte sei nichts bekannt. Es sei bedauerlich, daß ein so guter Mieter ein so plötzliches und trauriges Ende gefunden haben solle. Es sei nur zu hoffen, daß daraus kein Skandal erwachse, denn diese Wohnungen hätten stets einen ausgezeichneten Ruf genossen.
Parkers nächster Besuch galt Mr. Mountjoys Bank. Hier begegnete er der üblichen abwehrenden Haltung, aber schließlich bekam er doch Einblick in die Bücher. Mr. Mountjoy bezog aus soliden Anlagen ein regelmäßiges Jahreseinkommen von rund tausend Pfund. Keine Un regelmäßigkeiten. Keine geheimnisvollen Geldbewegungen. Parker verließ die Bank mit dem unguten Gefühl, daß Hector Puncheon Gemseneier gefunden hatte.
16
Exzentrisches Verhalten einer >Postdienststelle
Der Chefinspektor teilte Wimsey noch am selben Abend seine Ansicht mit. Seine Lordschaft, dessen Gedanken immer noch zwischen der Kriminalistik und der neuen Whifflets-Kampagne, die im Laufe des Nachmittags deutliche Formen angenommen hatte, geteilt waren, gab sich kurz angebunden.
«Gemseneier? Und wer hat Puncheon k.o. geschlagen? Vielleicht die Gemse?»
«Vielleicht hatte Mountjoy einfach die Nase voll. Dir ginge es auch auf die Nerven, wenn du von diesem Puncheon durch ganz London verfolgt würdest.»
«Schon möglich. Aber ich würde ihn nicht niederschlagen und seinem Schicksal überlassen. Ich würde ihn der Polizei in Gewahrsam geben. Wie geht es Puncheon überhaupt?»
«Er ist noch bewußtlos. Gehirnerschütterung. Scheint einen schweren Schlag an die Schläfe und ein böses Ding an den Hinterkopf bekommen zu haben.»
«Hm. Wahrscheinlich gegen die Wand geknallt, als Mountjoy ihm eins mit dem Totschläger überzog.»
«Da dürftest du recht haben.»
«Ich habe immer recht. Und ich hoffe, du hast ein Auge auf diesen Garfield.»
«Der käme vorerst nicht weit. Warum?»
«Nun – es ist doch merkwürdig, daß Mountjoy zu einem für dich so ungelegenen Zeitpunkt umkam.»
«Du willst doch nicht sagen, daß Garfield etwas damit zu tun hatte? Hör mal, der Mann ist beinahe selbst dabei umgekommen. Außerdem haben wir uns schon mit ihm befaßt. Er ist ein bekannter Arzt und hat eine große Praxis im West-End.»
«Vielleicht für Rauschgiftsüchtige?»
«Er ist Nervenspezialist.»
«Eben.»
Parker stieß einen Pfiff aus. «Ach, so siehst du das?»
«Paß mal auf»,
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