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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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noch nie gewesen war. Jedenfalls hat er einen Zug nach London gefunden und ist eingestiegen. So weit, so gut; aber irgendwo unterwegs ist dann ein ganzer Schwung Soldaten eingestiegen, ziemlich angesäuselt und bester Laune, und ihrem Gerede hat Deacon dann entnommen, was ihm bevorstand. Ihm ist mit einemmal klar geworden, daß er hier ganz wie ein Soldat ge kleidet herumlief, aber vom Krieg keine Ahnung hatte, von Drill und so, und er hat gewußt, sowie er den Mund aufmacht, fällt er auf.«
    »Klar«, sagte Wimsey. »Da könnte er sich gleich anziehen wie ein Freimaurer. Damit würde er auch nicht weit kommen.«
    »So ist es. Deacon schreibt, das war, als ob er unter Leuten gewesen wäre, die eine Fremdsprache sprachen. Schlimmer noch; denn von Fremdsprachen verstand Deacon ein bißchen was. Er war doch so'n Gebildeter. Aber von diesem Soldatenkram verstand er nur Bahnhof. Also hat er nichts anderes tun können als sich schlafend stellen. Er schreibt, er hat sich einfach in seiner Ecke zusammengekringelt und geschnarcht, und wenn ihn einer angesprochen hat, hat er ihn angefaucht. Hat ganz gut geklappt, schreibt er. Allerdings war da ein so'n hartnäckiger Zeitgenosse mit einer Flasche Scotch dabei. Der hat Deacon immer wieder zu trinken aufgedrängt, und er hat ein paar Schlucke genommen, dann noch ein paar, und bevor sie in London einfuhren, war er ziemlich besäuselt. Sehen Sie, er hatte ja ein paar Tage lang praktisch nichts zu essen gehabt, außer einem Stückchen Brot, das er aus irgendeiner Kate gemopst hatte.«
    Der Polizeibeamte, der das alles mitstenographierte, ließ unbeeindruckt seine Feder über das Papier kratzen. Mr. Cranton trank einen Schluck Wasser und fuhr fort.
    »Deacon schreibt, er weiß nicht genau, wie es ihm danach ergangen ist. Er hat den Bahnhof verlassen und still irgendwo verschwinden wollen, aber das war anscheinend nicht so leicht. Die verdunkelten Straßen haben ihn durcheinandergebracht, und dieser hartnäckige Kerl mit der Whiskyflasche schien einen Narren an ihm gefressen zu haben. Er hat die ganze Zeit geredet, was für Deacon allerdings ein Glück war. Er erzählt, daß er noch mehr getrunken hat, und dann irgendwas mit einer Feldflasche, und dann ist er über was gestolpert, und die Kerle haben ihn ausgelacht. Und danach muß er dann richtig einge schlafen sein. Als nächstes erinnert er sich, daß er wieder im Zug saß, zwischen lauter Tommys, und soweit er feststellen konnte, war es ein Zug an die Front.«
    »Das ist ja eine erstaunliche Geschichte«, fand Mr. Parker.
    »Aber ein klarer Fall«, meinte Wimsey. »Irgendeine freundliche Seele muß seine Papiere kontrolliert und festgestellt haben, daß er auf dem Weg zu seiner Einheit war, und daraufhin hat er ihn in den nächsten Zug nach Dover verfrachtet, stelle ich mir vor.«
    »Ganz richtig«, stimmte Mr. Cranton ihm zu. »In die Mühle geraten, wie man so sagt. Nun ja, was sollte er anderes tun als wieder auf Tauchstation gehen? Es waren genug andere da, die hundemüde und ziemlich beduselt zu sein schienen, so daß er in keiner Weise auffiel. Er beobachtete, was die andern taten, zeigte im richtigen Moment seine Papiere und so weiter. Zum Glück gehörte wohl von den andern niemand ausgerechnet zu seiner Einheit. So ist er rübergekommen. Aber wohlgemerkt«, fügte Mr. Cranton hinzu, »ich kann Ihnen nicht alle Einzelheiten schildern. Ich war selbst nicht im Krieg, weil ich anderweitig beschäftigt war. Die Lücken müssen Sie schon selbst füllen. Er schreibt, er war auf der Überfahrt scheußlich seekrank, und danach hat er in einer Art Viehwagen weitergeschlafen, bis sie ihn schließlich im Dunkeln irgendwo rausgesetzt haben. Nach einer Weile hat er jemand fragen hören, ob einer da sei, der zu seiner Einheit gehörte. Er wußte gerade genug, um ›Jawohl, Sir‹ zu sagen und strammzustehen – und als nächstes fand er sich in einer kleinen Gruppe Soldaten wieder, geführt von einem Offizier, auf irgendeiner Straße voller Schlaglöcher. O Gott, er hat gemeint, sie sind stundenlang marschiert und müssen an die hundert Meilen zurückgelegt haben, aber ich würde sagen, das war übertrieben. Und er sagt, vor ihnen ist ein Lärm gewesen wie in der Hölle, und die Erde hat gezittert, und plötzlich ist ihm aufgegangen, worauf er sich da eingelassen hatte.«
    »Ein richtiges Heldenepos«, fand Wimsey.
    »Ich kann ihm nur nicht ganz gerecht werden«, sagte Mr. Cranton, »weil Deacon die ganze Zeit keine Ahnung hatte, was

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