Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
Mündern nach oben. Und wie der Soldat sich vorbeugt und die Glocken angucken will, da kommt Batty Thomas runtergesaust und schlägt ihn tot. Das ist Geschichte, sag ich, und der Pfarrer sagt, daß Batty Thomas damals die Kirche gerettet hat, denn die Soldaten haben es mit der Angst gekriegt und sind abgehauen, weil sie gedacht haben, das ist ein Gottesurteil, obwohl ich finde, es war nur Schlamperei, die Glocken aufgeschwungen zu lassen und so. Na ja, so war's jedenfalls. Und dann war da noch der arme Kerl, der das Läuten lernen wollte – damals unter dem alten Pfarrer war das noch –, und wie er versucht hat, Batty Thomas aufzuschwingen, hat er sich am Seil aufgehängt. Schrecklich war das, und auch da sag ich wieder, es war reine Schlamperei, denn man hätte den Jungen nie allein an die Glocken ranlassen dürfen, und Mr. Venables würde so was auch nie zulassen. Aber Sie sehen, Miss Hilary, die Batty Thomas hat schon zwei Männer erschlagen, und wenn man auch weiß, daß es beide Male nur Schlampigkeit war und normalerweise nichts passiert wäre – na ja! Aber wie gesagt, ich will es nicht darauf ankommen lassen.«
    Mit diesem seinem letzten Wort zum Thema stieg Mr. God
    frey die Leiter hinauf, um die Zapfen der Batty Thomas allein zu ölen. Hilary Thorpe fügte sich, wenn auch widerstrebend, in das Unabänderliche und spazierte gelangweilt in der Glockenstube hin und her, wirbelte hier mit ihren kantigen, unmodernen Schulschuhen den Staub der Jahrhunderte auf oder versuchte dort die Namen zu lesen, die von verblichenen Dorf bewohnern an die verputzten Wände gekritzelt worden waren. Plötzlich sah sie in einer entfernten Ecke etwas Weißes im Sonnenlicht blinken. Lässig hob sie es auf. Es war ein Blatt Papier, dünn, von schlechter Qualität und eng kariert. Es erinnerte Hilary an die Briefe, die sie dann und wann von einer früheren französischen Gouvernante bekam, und bei näherer Betrachtung sah sie, daß es auch mit derselben violetten Tinte beschrieben war, die sie an »Mad'm'selle« erinnerte, aber die Schrift war englisch – sehr säuberlich, aber irgendwie doch wieder nicht die Schrift einer gebildeten Person. Das Blatt war zweifach gefaltet und an der Unterseite vom feinen Staub auf dem Boden verschmutzt, aber sonst einigermaßen sauber.
    »Mr. Godfrey!«
    Hilarys Stimme klang so schrill und aufgeregt, daß Mr. Godfrey gehörig erschrak. Fast wäre er von der Leiter gefallen und hätte die angeblichen Opfer der Batty Thomas um eines vermehrt.
    »Ja, Miss Hilary?«
    »Ich hab hier so was Komisches gefunden. Können Sie mal runterkommen und sich das ansehen?«
    »Gleich, Miss Hilary.«
    Er machte zuerst seine Arbeit fertig, dann stieg er hinunter. Das Sonnenlicht, das durchs Fenster hereinfiel und den bronzenen Mund der Tailor Paul küßte, umfing das Mädchen wie Danaes Goldregen. Hilary hielt das Papier so, daß genug Licht darauf fiel.
    »Das hat auf dem Boden gelegen. Hören Sie sich das mal an. Es ist total bekloppt. Meinen Sie, das könnte Potty Peake geschrieben haben?«
    Mr. Godfrey schüttelte den Kopf.
    »Das kann ich wirklich nicht sagen, Miss Hilary. Bekloppt ist er ja, und früher ist er auch immer hier raufgekommen, bevor der Pfarrer die Falltürkette hat einschließen lassen. Aber das sieht mir nicht nach seiner Handschrift aus.«
    »Also, ich finde, das kann nur ein Irrer geschrieben haben. Lesen Sie mal. Es ist so komisch.« Hilary kicherte, denn sie war in dem Alter, wo Irrsinn befangen macht.
    Mr. Godfrey legte betulich sein Arbeitszeug neben sich, kratzte sich am Kopf und las, mit leicht fettigem Zeigefinger den Zeilen folgend, laut das Geschriebene vor:

    »Die Elfen tanzten Reigen, es wiegte im leichten Wind dazu sich der schlotschwarze Elefant. Wie sehr ich da erschrak! Ich hörete hohe Stimmen flüstern und versuchete schneller zu eilen. Da vernahm ich aus der wabernden Stille leise Musik. Der Odem der verlorenen Seelen aus dem Fegefeuer umfing mich. Endlich naht' von fern der Morgen in rötender Helle. Alle bösen Geister wichen von hinnen oder verblichen vor des Morgens erstem Schimmer. Bald war der Bann gelöst. Noch zürnt der Zauberer indes! Wutbebend irrt er umher und hadert mit seinem Los. Der Mond aber, böser Mächte Rache fürchtend, dreht bange sich herum. Satanas' Pfuhl brüllt wieder, und Erebus öffnet sich.«
    »Na so was«, meinte Mr. Godfrey verwundert. »Das ist ja wirklich komisch. Bekloppt ist es, aber nicht von einem Bekloppten, wenn Sie mich verstehen.

Weitere Kostenlose Bücher