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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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ist Anne? « , wollte sie wissen.
    » Unter Deck. Einer der Matrosen ist krank. «
    » Oh. Na gut, dann warte ich hier auf sie. «
    Sie setzte sich auf die Bank und versuchte, ein wenig in einem von Annes Büchern zu lesen, doch sie konnte sich nicht konzentrieren und rutschte hin und her. Sie brannte darauf, Anne davon zu erzählen, dass sie Europa gesehen hatte, doch ihr Widerwillen, in die Quartiere der Seeleute hinabzusteigen, hinderte sie daran, die Freundin zu suchen. Sie wusste nur zu gut, wie es dort unten aussah. Vor drei Jahren, auf der Reise von England nach Barbados, hatten sie und Lizzie wochenlang im Zwischendeck gehaust, unter Bedingungen, wie man sie sich kaum elender und schmutziger vorstellen konnte. Dicht an dicht baumelten dort die Hängematten von den Sparren, und die einzige Luftzufuhr kam durch die Geschützpforten und den Niedergang. Es war dunkel und feucht unter Deck, ganz zu schweigen von den betäubenden Ausdünstungen der Matrosen, die während der gesamten Reise nie die Kleidung wechselten und kaum je mit Wasser in Berührung kamen, jedenfalls nicht, um sich damit zu waschen. Die meisten von ihnen sahen zum Fürchten aus, mit bärtigen Gesichtern, zotteligem Haar und unverschämten Blicken, wann immer Felicity einem von ihnen über den Weg lief. Letzteres kam zum Glück nicht allzu häufig vor, denn die Matrosen hausten auf dem Vorderschiff, während sie selbst sich fast ausschließlich auf dem Achterschiff aufhielt. Felicity fand es hochanständig von Duncan, dass er ihr und Anne für die Dauer dieser Reise seine Unterkunft überlassen hatte. Sie teilten sich das breite Alkovenbett, während Duncan im Vorbau auf der Bank schlief. Tagsüber hielten sie sich gemeinsam in der Kajüte auf, wo sie auch die Mahlzeiten einnahmen und Duncan am Kartentisch seine Berechnungen anstellte. Bis auf die lange Flaute war die gesamte Fahrt ohne Zwischenfälle oder größere Unannehmlichkeiten verlaufen. Felicity wusste, dass sie darüber froh und dankbar sein sollte. Dennoch konnte sie es kaum erwarten, es endlich hinter sich zu haben. Sie hasste das Leben auf See mit solcher Inbrunst, dass es sie manchmal mit stiller Sorge erfüllte. Schließlich würde sie bald einen Kapitän heiraten. Niklas liebte sein Schiff, er war mit Leib und Seele Seemann, und sie konnte nur hoffen, dass er nicht von ihr erwartete, ihn auf seinen Fahrten zu begleiten. Er befehligte einen Westindienfahrer, die Eindhoven, die nahezu doppelt so groß war wie Duncans Elise, und auch seine Kabine war um einiges geräumiger und komfortabler als diese hier, doch Felicity wünschte sich glühend, dass Niklas künftig ein gemeinsames Leben an Land seinen Schiffsreisen vorzog. Erst recht in diesen unsicheren Zeiten. Der Krieg, so hatte man sich bereits vor ihrem Aufbruch auf Dominica erzählt, weitete sich immer mehr aus. Hoffentlich gab es keine Schwierigkeiten, wenn sie zu Niklas nach Amsterdam reisen wollte! Am liebsten wäre es ihr gewesen, die Elise hätte gleich dort anlegen und sie von Bord lassen können, bevor es nach England weiterging, doch Duncan hatte bereits abgewinkt– es war ihm zu gefährlich.
    » Wir können von Glück sagen, wenn wir heil nach England kommen « , hatte er lapidar bemerkt, als sie das Thema angesprochen hatte. » Dieser Krieg ist ein Seekrieg, Felicity. Er findet zu Wasser statt, zwischen Schiffen, die einander beschießen. Die Küstengewässer sind besonders unsicher. Glaub mir, es ist besser, du kommst zunächst mit nach Raleigh Manor, und dort können wir dann in aller Ruhe überlegen, wie du mit einem ordentlichen Geleitschutz nach Amsterdam gelangst. Uns wird schon etwas einfallen. Keinesfalls setze ich dich irgendwo ab und überlasse dich deinem Schicksal. « Damit hatte sie sich zufriedengeben müssen, auch wenn es sie verzagt in die Zukunft blicken ließ. Es würde alles so lange dauern!
    Anne hatte versucht, sie aufzumuntern, was Felicity als Beweis sah, dass die Freundin ihre Melancholie fast überwunden hatte. Manchmal wirkte sie sogar regelrecht unternehmungslustig.
    » Wenn du niemanden findest, der dich nach Holland begleitet– ich tu’s « , hatte sie erklärt. » Du wirst nicht allein dorthin reisen müssen! «
    Felicity war froh, Anne an ihrer Seite zu wissen. Sie war eine angenehme Gesellschafterin. Es war nicht dasselbe wie mit Lizzie, an der Felicity mit solcher Liebe hing, dass es immer noch wehtat, wenn sie an den Abschied zurückdachte. Aber dafür war das Leben mit Anne auch

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