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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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den Herstellern geleugnet. Und gegen Krebs gab es noch keine Wunder, jedenfalls nicht für Rentner. Eddie hatte kein Zeit für Mitleid. Eddie brauchte Zeit zum Verwirrtsein. Er wußte ja nicht einmal, wo er war. Er war auf der Flucht, aber wohin? Tina konnte er im Moment nicht helfen. Für’s erste nahm er an, sie sei verrückt geworden, was wußte er denn, wie lange sie dort schon gehangen war, bevor er aufgewacht war, auf jeden Fall sagte sie nichts, hing zusammengekrampft in ihrem Sitz und stöhnte ab und zu leise: »Meine Medizin«. Was für eine Medizin? Sein rechter Fuß pochte. Sein Magen war leer. Diese Art von Hunger konnte er noch zwei Stunden überstehen, dann war Ende. Zum Glück funktionierte das Rad, ohne den Hilfsmotor war er erledigt. Was wollte er tun? Herumfahren, bis ihm etwas Besseres einfiel. Bis er etwas zu essen fand. Bis Tina aufhörte, verrückt zu spielen. Er hatte schon die halbe Stadt umrundet, als er mehr zufällig eine Auffahrt zur alten A7 hinaufglitt. Also nach Süden. Auch gut.
     
    Das alte Autobahnsystem hatte sich den Anforderungen der neuen Zeit angepaßt. Hitlers Erwägungen kamen nun voll zum Tragen, denn allein für Solarwägen, Roadtrains und Hochgeschwindigkeitsräder hätte es keine vierspurigen Autobahnen gebraucht. Aber der Truppentransport war zu einer absoluten Priorität aufgestiegen, und da die Militärs das Land quasi flächendeckend als Manövergebiet begriffen, waren die gigantischen Truppentransporter (Typ Mammut), lange Kolonnen olivgrüner Fahrzeuge, und die dunkelblauen Spähpanzer der Spezialtruppen des Innenministeriums auf den alten Autobahnen ziemlich oft anzutreffen. Es kam schon vor, daß sich Angehörige der verschiedenen Heeresteile zusammen mit Polizei und Bundesgrenzschutz in einer kilometerlangen Massenkarambolage verknäuelten, solche Anlässe wurden in manchen Bolos mit stehenden Ovationen gefeiert. Wie zum Beispiel im »Strahlungen«-Bolo, zu dem Eddie unterwegs war: Frankfurt. Eddie konnte kaum die geforderte Mindestgeschwindigkeit von 50 km/h einhalten, er fuhr schon auf der äußersten rechten Spur, und wurde dennoch immer wieder von hinten angepiept. Er suchte nach einer Recreation Area, aber seit seiner Auffahrt auf die A7 war er an keiner vorbeigekommen. Die alten Raststätten, die sich früher meistens um Tankstellen für Verbrennungskraftstoffe gruppiert hatten, waren zu fünfstöckigen Ausflugszielen mutiert, mit Schwimmbädern, Spielhöllen, Hotels, Bordellen für jeden Geldbeutel, und es gab wirklich eine Menge Urlauber, die dort ihre Ferien verbrachten. Die Benzintankstellen waren nicht ganz verschwunden, aber sie lagen weiter im Hinterland, waren von Wachlibellen der Militärpolizei umschwirrt und von drei Meter hohen Zäunen umgeben, an denen deutlich zu lesen stand: »Militärischer Sicherheitsbereich. Vorsicht, Schußwaffengebrauch.« Wer sich ihnen auch nur näherte, konnte fest mit einem oder zwei Tagen im Bunker des Stützpunkts rechnen, inklusive schmerzhafter medizinischer Untersuchungen, erkennungsdienstlicher Behandlung, HIV- und Gentests, alles auf Selbstzahlerbasis, versteht sich. Eddie strampelte. Er wollte mit Tina nicht auch noch von der Polizei aufgegriffen werden. Wenn er es allerdings genau bedachte, wäre das nicht die größte von allen möglichen Katastrophen gewesen. Denn eines war ihm mittlerweile klar: die Impact konnte auf keinen Fall die Polizei in einer zu offenen Weise mit Eddie und Tina beschäftigen. Jeder Dorftrottel, dem Eddie etwas von der Gezeitenmaschine erzählte, dem Eddie ein paar Hunderter hinlegte mit der Information, wo die Stäbe zu finden waren, konnte versuchen, sie in seine Finger zu bekommen, und das würde die Impact nicht riskieren. Nie. Sie konnten noch ein paar von diesen Amateuren hinter ihm herschicken, sie konnten ein Team in jedem Bundesland zusammentrommeln, um Jagd auf ihn zu machen, aber sie konnten nicht zuviel Staub aufwirbeln, ohne irgendwen zum Husten zu bringen, und das wollten sie auf keinen Fall. Er hoffte, daß sie das nicht wollten. Er hoffte, sie konnten die Polizei daran hindern, sich im Fall ihres toten Entwicklungschefs breitzumachen. Eddie hoffte, daß Jojo tot war. Er bedauerte, daß Brauner II sich nicht auch noch eine Ladung Elefantenschrot eingefangen hatte, aber er hätte ihn nicht am Boden liegend exekutieren können. Tina vielleicht. Tina hätte es getan. Ihr bedroht mich, ich bringe euch um. Sie hatte seit einer Viertelstunde wieder angefangen mit ihrem

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