Wind des Südens
kümmern, erstatten Sie mir Bericht. Die Straßen brauchen Sie noch nicht freizuräumen. Zuerst möchte ich sichergehen, dass niemand vermisst wird. Und noch etwas: Beeilen Sie sich. Wir müssen so schnell wie möglich fertig werden, denn es ist noch nicht ausgestanden. Der Sturm kommt wieder zurück.«
»Was?« Einige Leute lachten auf. Andere betrachteten die Schäfchenwolken, zwischen denen bereits blaue Lücken sichtbar wurden.
»Er hat Recht«, rief Neville. »Wir befinden uns im Auge des Sturms. Das Wetter ist ruhig. Zu ruhig. Gleich wird uns die andere Seite des Wirbels treffen.«
Die Menschen murrten immer noch ungläubig, doch Connor hatte keine Zeit, sich mit ihnen herumzustreiten. »Mr. Caporn hat es Ihnen klipp und klar gesagt. Mir ist es gleichgültig, ob Sie ihm zustimmen, solange Sie jetzt endlich mit der Arbeit anfangen.«
Mal und Jesse hatten sich bereits, unterstützt von mehreren Helfern, ans Werk gemacht und sägten die Äste von dem riesigen Baum, der auf Jesses Haus gestürzt war.
»Du musst zugeben: Das dichte Laubwerk hat verhindert, dass dir die ganze Bude weggeflogen ist«, meinte Mal grinsend. »Versuch die Sache positiv zu sehen.«
»Und Sie haben jetzt genug Brennholz für die nächsten hundert Jahre«, ergänzte ein Mann, während er einen schweren Ast hinunterwarf. »Die Stadt ist völlig verwüstet«, fügte er hinzu. »Es wird ein schönes Stück Arbeit werden, alles aufzuräumen und wieder aufzubauen.«
Der Himmel verfärbte sich eigenartig gelb, und wieder zog Bewölkung auf. Es begann erneut zu regnen. Doch Clive bemerkte nichts davon. Er stand in der Ruine seines Ladens und warf verzweifelt einige Trümmer beseite, damit das Wasser, das sich auf den Parkettböden gesammelt hatte, abfließen konnte.
Keiner seiner Läden hatte das Unwetter überstanden. Bis auf den Torbogen zwischen der Herren- und der Damenabteilung, der nun dastand wie ein gewaltiger Schlund, waren sämtliche Wände eingestürzt. Wie benommen stolperte er durch das Trümmermeer, während unter seinen Füßen Glas – die neuen Fensterscheiben! – knirschte. Er trat nach Putzbrocken und hob hie und da eine Wellblechplatte hoch, in der Hoffnung, dass darunter vielleicht etwas heil geblieben sein könnte. Aber was? Er ahnte, dass all seine Mühe vergebens war: Alles war dahin!
Wie ein Schlafwandler griff Clive nach einer Schaufel und machte sich an die Arbeit. Als könne man den Schaden ungeschehen machen, indem man so schnell wie möglich zur Tat schritt. Er hatte das Hemd ausgezogen und schippte gerade Glasscherben zu einem Haufen zusammen, als einige Männer erschien.
»Ist hier alles in Ordnung?«, rief einer ihm zu. »Keine Schäden?«
Verständnislos starrte Clive ihn an. »Wie würden Sie das hier sonst nennen?«, brüllte er wütend. »Kommen Sie, und helfen Sie mir.«
Aber die Männer gingen weiter, und Clive bemerkte endlich, dass der Pub nebenan ebenso verschwunden war wie das Immobilienbüro auf der anderen Straßenseite. Es war kaum festzustellen, wo die Nachbargrundstücke aufhörten und sein eigenes begann. Voller Wut über die sinnlose Zerstörung seiner wunderschönen Läden schaufelte Clive – stets entlang einer Linie, die er in den Schlamm gezogen hatte, um bloß keine Mühe auf die Probleme seiner Nachbarn zu verwenden – weiter. Doch als es erneut zu regnen anfing und ein Wind aufkam, der die ganze Plackerei der letzten Stunde wieder zunichte machte, setzte er sich an den Rand seiner eingesackten Veranda und brach in Tränen aus.
Zwei Männer, die ihn dort sitzen sahen, hielten ihn für einen Verwundeten und brachten ihn in die einsturzsichere Bank, während der Wind sich wieder zu einem Sturm steigerte.
Kurz zuvor hatte ein Trupp Helfer die Ruine der Landvermesser erreicht. Als die Männer eine leise Stimme hörten, begannen sie mit der Suche. Stück für Stück räumten sie den Schutt beseite, bis sie auf eine Frau stießen, die eingeklemmt unter dem Bett lag. Sie trugen sie einige Straßen weiter ins Krankenhaus, wo sie zu den anderen Verletzten gelegt wurde – in die Stallungen aus Backstein, die John Kincaid für seine Vollblüter gebaut hatte.
»Es tut mir Leid, Mrs. Hillier«, meinte die Oberschwester zu ihr.
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