Wind des Südens
ihrer Rückkehr in die Stadt sprach Mal Raymond darauf an.
»Ach, du meine Güte, Mal, setzen Sie sich zu mir auf die Veranda. Hier weht eine angenehm kühle Brise. Sie will ihn bitten, sich für sie zu verwenden und den Leuten zu bestätigen, dass sie von den Entführern nicht unsittlich berührt worden ist.«
»Warum denn?«
»Weil sie überzeugt davon ist, dass niemand ihr glaubt. Ich denke, nicht einmal Lyle steht ihr in dieser Frage bei.«
»Ihr eigener Ehemann? Dieser kleine Schmutzfink. Und Sie haben ihr versprochen, sich darum zu kümmern?«
»Nicht direkt. Als Tussup hier war, habe ich versucht, ein Treffen in die Wege zu leiten. Allerdings brauchte ich Dr. Shakells Erlaubnis, um Jake nach St. Clement’s mitnehmen zu können. Und dabei war ich selbst von seinem Wohlwollen abhängig. Eine ziemlich vertrackte Angelegenheit. Sie waren doch selbst dort. Sie wird nicht misshandelt …«
Mal ließ ihn weiterreden. Offenbar wurde Tussup nun wirklich von jemandem gebraucht. Und zwar dringend. Da er selbst unter Verleumndungen und ungerechten Vorwürfen zu leiden gehabt hatte, konnte er Constances Elend gut verstehen. Sicher hatte sie die verstohlenen Blicke und das Getuschel nach ihrem schrecklichen Erlebnis bemerkt, und alles war ihr entsetzlich peinlich gewesen. Und je mehr sie sich dann bemüht hatte, ihre Mitmenschen davon zu überzeugen, dass sie die Wahrheit sagte, desto weniger war ihr geglaubt worden. »Wo Rauch ist, da ist auch Feuer«, murmelte er erbittert. »Es bleibt immer etwas hängen!«
Constances Lösung bestand darin, sich in der Anstalt zu verstecken, bis Tussup, der dabei gewesen war, allen bestätigte, dass sie nicht log.
»Und wie sah meine Lösung aus?«, fragte sich Mal.
»Ich bin nach China geflohen.«
O ja, er verstand Constances Dilemma sehr wohl.
Unvermittelt verabschiedete er sich von Raymond und ging, tief in Gedanken versunken, zu Fuß zurück zum Hotel. Dort angekommen, machte er allerdings wieder kehrt, da er das Thema nicht mit den beiden Frauen erörtern wollte. Es ging ihm einfach zu nah. Sie hatten beide gehört, wie Constance nach Jake Tussup fragte, und hatten ihren Ohren nicht getraut. Ganz sicher würden sie es zur Sprache bringen.
Allerdings lebte Constance – ebenso wie Raymond – in einer Traumwelt. Selbst wenn Tussup durch ein Wunder die Möglichkeit erhalten sollte, sie zu besuchen, brachte das nichts, solange er ihre Aussage in einem vergitterten Zimmer in einer Anstalt bestätigte. Das würde Constance keinen Schritt weiterbringen. Oder planten die beiden etwa, von Tussup eine schriftliche Bestätigung zu verlangen, mit der Constance dann im kläglichen Flehen um Anerkennung ihren Mitmenschen vor der Nase herumwedeln konnte?
An den Stallungen betrachtete Mal neidisch einen prachtvollen roten Hengst, der gerade durch das Tor geführt wurde. Er vermisste Pferde und wusste nicht, wie er in dieser großen Stadt nur die Zeit totschlagen sollte. Ob Esme wohl gern ritt?
Am nächsten Tag lehnte er Eleanors Einladung, mit ihr in der Droschke nach St. Clement’s zu fahren, ab und meinte, er würde lieber reiten.
»Worauf denn?«, fragte Eleanor.
»Ich habe mir ein Pferd gemietet. In einer Droschke komme ich mir vor wie ein Idiot.«
Er stellte zwar fest, dass Esme unwillig das Gesicht verzog, doch daran war nichts zu ändern. Nun würde er Constance auch allein besuchen können.
Sie war froh, ihn zu sehen. Inzwischen freute sie sich auf die Besuche, was ein gutes Zeichen war. Er erklärte ihr, die Damen würden später kommen.
Nachdem sie sich an Tee und Gebäck gütlich getan hatten, erzählte er ihr die schreckliche Geschichte, wie er verhaftet, eingesperrt und schließlich entlassen worden war.
»Wissen Sie«, meinte er, »eines Tages war plötzlich alles vorbei.«
»Dem Himmel sei Dank«, entgegnete sie.
»Ich hatte einen guten Anwalt.«
»Trotzdem muss es eine sehr unangenehme Erfahrung gewesen sein.«
»Nicht annähernd so schlimm wie Ihre Erlebnisse während der Entführung.«
Errötend wandte sie sich ab und rang die Hände.
»Aber Sie haben überlebt«, fuhr
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