Wind des Südens
mich aus dieser Menschenmenge herauszuzerren. Hier sind bestimmt hundert Leute um mich herum.«
Mrs. Horwood lächelte im Halbschlaf und beglückwünschte sich zu ihrer Klugheit, die sie dieses Versteck hatte finden lassen.
»Wer ist sie?«, fragte Dr. Madison, als zwei Freiwillige sie auf einer Trage zu ihm brachten.
»Das weiß keiner«, antwortete die Oberschwester. »Die Leute dachten, sie hätte da draußen nur geschlafen, aber als sie an der Reihe war, konnten sie sie nicht wecken.«
»Sie hat hohes Fieber. Wir müssen schnellstens für Abkühlung sorgen. Beeilen Sie sich, ich glaube, sie kommt bald wieder zu sich.«
Die Patientin stöhnte, versuchte aufzustehen, wurde jedoch von zwei Schwestern fortgetragen, auf ein Bett gelegt und entkleidet.
Als sie sich mit Schwämmen und Tüchern an die Arbeit machten, zog die Oberschwester angesichts der zarten Unterwäsche aus Crêpe de Chine, die die Schwestern auf einem Stuhl abgelegt hatten, eine Augenbraue hoch. Doch dann hastete sie weiter. In diesem überfüllten und unterbesetzten Krankenhaus blieb ihr keine Zeit, um mehr zu tun, als solche Dinge lediglich zu registrieren.
Jake überlegte es sich anders und machte kehrt, um Mrs. Horwood im Auge zu behalten, doch sie war in der Menge verschwunden.
»Dann sollte ich mich schleunigst aus dem Staub machen«, brummte er vor sich hin. »Inzwischen hat sie sicher schon die Polizei eingeschaltet.«
Wenngleich er beschlossen hatte, diesen Ort schnellstens per Schiff zu verlassen, mochte er seinen ursprünglichen Plan doch nicht so ohne weiteres aufgeben. Das Gold lag in greifbarer Nähe, verdammt noch mal. Er verfluchte Bartie Lee, der alles zunichte gemacht hatte, und Tom Ingleby, weil er die Malaien nicht so bei der Stange gehalten hatte, wie Flesser es getan hätte. Er fragte sich, ob der blöde Kerl womöglich ertrunken war. Er hätte das Beladen des Rettungsboots überwachen, darauf achten sollen, dass alles nach Vorschrift lief. Das wäre doch wohl nicht zu viel verlangt gewesen von dem Schwachkopf. Und er verfluchte die Frau, Mrs. Horwood. Letzten Endes hatte sie nur Unglück gebracht, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Böse betrachtete er die Szene vor seinen Augen, diese Siedlung am Fluss, diesen Betrüger, der mit dem Versprechen von Reichtum Männer an seine Ufer lockte, um dann offen zu legen, dass die Beute außer Reichweite war. Er hätte gern gewusst, wie viele weiter in die Wildnis gezogen und wie viele hier stecken geblieben waren.
»Du warst zu lange auf See«, murrte er. »Tust dir selbst Leid.« Gut, die Goldfelder waren also hundertfünfzig Meilen weit entfernt, überlegte er. Und war er als Junge nicht zu Fuß von Goulburn bis nach Sydney gelaufen? Ganz allein, auf Schusters Rappen, mit ein paar Pennies in den Taschen. Diesmal würde er aber ein Pferd und Proviant besitzen.
»Also los«, sagte er zu sich selbst.
Sein erstes Ziel war ein Bordell, wo das Mädchen seiner Wahl, eine freche Kleine namens Madeleine, sich des gut aussehenden Seemanns nur zu gern für ein paar Stunden annehmen wollte. Doch nach der ersten Stunde erklärte er ihr, sie sei das Beste, was ihm seit langer Zeit begegnet war, doch jetzt hätte er andere Pläne mit ihr.
»Keine Angst!« Er lachte. »Ich möchte nur, dass du mir die Haare schneidest.«
»Ich soll dein schönes lockiges Haar abschneiden? Nein!«
»Muss sein. Ist auch kühler. Und dabei kannst du mir erzählen, was du über den Weg zu den Goldfeldern weißt.«
Als sein Haar kurz geschnitten war, sah sie ihn betrübt an. »Jetzt hast du einen Sträflingsschnitt. Und das sieht verrückt aus mit diesem hübschen Bart.«
»Ich weiß. Jetzt musst du mich rasieren. Ich habe mich entschlossen, mich auch von meinem Bart zu trennen. Rasierst du mich, oder muss ich einen Friseur suchen?«
»Ich mach das«, sagte sie rasch, um sich die Chance, noch mehr Geld zu verdienen, nicht entgehen zu lassen. »Bei mir macht es mehr Spaß als beim Friseur.«
»Ganz bestimmt.« Er gab ihr einen Klaps auf den weichen Hintern, als sie sich auf die Suche nach einem Rasiermesser machte. Friseure waren notorische Schwätzer.
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