Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
also nicht schlecht, als er an diesem Mittag mit einem bunten Strauß vor ihr stand.
»Hallo, mein Herz«, sagte er liebevoll. »Ich wollte dich zum Essen einladen.«
Irma sah auf den Strauß in seiner Hand. »Da du weder meinen Geburtstag noch unseren Hochzeitstag vergessen hast, muss ich annehmen, du hast ein schlechtes Gewissen. Allzu schlimm wird es nicht sein, sonst wärst du mit Rosen angekommen.«
Er hatte ein schlechtes Gewissen, in all den Jahren hatte er es gehabt, aber davon konnte seine Frau nichts wissen. Oder wusste sie doch mehr, als er ahnte, und hatte bloß niemals etwas gesagt?
Olof schüttelte diesen beängstigenden Gedanken ab und rettete sich in eine scherzhafte Bemerkung. »Ihr Frauen! Wieso habt ihr immer so schreckliche Gedanken? Kann ein liebender Ehemann seiner Frau nicht einmal ein paar Blumen mitbringen, ohne dass sie gleich annimmt, er würde sie betrügen?«
Von Betrug war überhaupt keine Rede gewesen. Das wurde Olof in dem Moment klar, als er das Wort ausgesprochen hatte. Irma zog beide Augenbrauen hoch.
»Betrügst du mich?«, fragte sie prompt.
Olof stockte der Atem. Er zwang sich, ihrem Blick standzuhalten, und wandte all seine Kraft auf, sich möglichst unbefangen zu geben – und war sich trotzdem nicht sicher, ob es ihm gelang.
»Selbst wenn, wäre ich bestimmt nicht so dumm, mich mit Blumen zu verraten«, sagte er so jovial wie möglich. Aber klang seine Stimme normal? Und war sein Lächeln nicht verzerrt, obwohl es sich so anfühlte?
Olof tat so, als wollte er gehen. »Am besten nehme ich die Blumen wieder mit und schenke sie jemandem, der sich darüber freut.«
Irma schaute ihn nur an, sie sagte kein Wort. Olof hielt es kaum noch aus. Er machte einen Schritt auf sie zu und nahm sie in die Arme.
»Irma«, sagte er mit bewegter Stimme, »du bist die einzige Frau, die ich liebe.«
Zumindest in diesem Punkt belüge ich sie nicht, dachte er. Er meinte jedes Wort, das er sagte, besser noch, er fühlte es.
»Glaubst du mir das?« Sein Blick hing ängstlich an ihren Lippen, und erst als sie lächelte und nickte, spürte er, wie sich in ihm langsam Ruhe ausbreitete.
»Natürlich glaube ich dir das«, sagte sie und nahm ihm endlich den Blumenstrauß aus der Hand. »Die stelle ich erst einmal ins Wasser, und dann hole ich meine Jacke, damit wir essen gehen können.«
Olof blieb ein Augenblick Zeit, um sich wieder zu sammeln. Er fragte sich, ob er diese Spannung auf Dauer aushalten würde. In der Vergangenheit war es leicht gewesen, sein Geheimnis zu bewahren. Er hatte Valerie nicht gekannt, hatte eigentlich selten an sie gedacht, außer wenn ihre Mutter sich bei ihm meldete.
Jetzt war alles anders. Jeden Tag wurde er an das erinnert, was er insgeheim stets als den größten Fehler seines Lebens gewertet hatte – und stellte fest, dass er es plötzlich nicht mehr so empfand. Sein schlechtes Gewissen Irma gegenüber blieb, aber Valerie als Fehler zu bezeichnen, war mehr als unpassend. Sie war ein wundervoller Mensch und, das gestand er sich in diesem Moment ein, er war stolz auf die Tochter, von der er bisher nie etwas hatte wissen wollen.
Irma kam zurück, und gemeinsam verließen sie die Galerie. Er steuerte eines der Fischlokale unten am Hafen an, das sie besonders liebte. Als sie Arm in Arm über den Marktplatz gingen, kam ihnen Lasse auf dem Fahrrad entgegen.
Der Junge bremste und begrüßte Olof fröhlich.
»Hej, Lasse, geht es dir gut?«
Mein Enkel, dachte er, und wieder spürte er diese Welle von Stolz, die sich gegen alle Vernunft in ihm ausbreitete. Er hatte keinen Grund, auf seinen Ehebruch stolz zu sein, und doch waren es zwei wundervolle Menschen, die daraus entstanden waren.
»Lasse ist der Sohn der Anwältin, der ich das Haus am See vermietet habe«, erklärte er seiner Frau, bevor er sich wieder an Lasse wandte. »Und das ist meine Frau Irma.«
Lasse streckte Irma die Hand entgegen. »Guten Tag, Frau Wilander. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
Was für ein kleiner Gentleman!, dachte Olof amüsiert. Er sah Irma an, dass der Junge ihr Herz im Sturm eroberte. »Ich freue mich auch«, sagte sie herzlich.
Olof wollte wissen, wie es dem Jungen an seinem ersten Vormittag in der Schule ergangen war.
»Es war ganz okay«, meinte Lasse. »Heute haben wir schon sehr früh Schluss gemacht.«
Olof und Irma lachten amüsiert. Olof sagte grinsend, dass ihm als Schüler das Ende eines Schultages auch immer am besten an der Schule gefallen habe.
»Wann willst
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