Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
beobachtete, wie ihr Blick verträumt durch die Backstube wanderte und schließlich seinen traf. »Ich bin mir sicher, ich gehöre hierher«, sagte sie mit fester Stimme.
Markus zuckte zusammen. Wieder holte ihn das Thema ein, schließlich hatte er genau darüber die ganze Nacht nachgedacht. Wie gerne würde er selbst an diesen Satz glauben! Er räusperte sich. »Aber eigentlich ist dein Leben woanders«, sagte er nüchtern.
Lucia zog den Backhandschuh aus und trat auf ihn zu. »Wieso ist es denn so wichtig, wo ich herkomme?«, fragte sie sanft. »Warum können wir nicht einfach in den Tag leben, du und ich?« Er spürte, wie ihre Finger über seinen Arm streichelten und dann nach seiner Hand griffen. Er schluckte und erwiderte schließlich ihren Händedruck. Als sie ihr Gesicht an seine Brust schmiegte, wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass ihre Worte wahr würden.
Magnus umschlang sie mit beiden Armen und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. Er wusste nicht einmal, was zwischen ihnen stand, weil sie sich nicht erinnern konnte. Wie viel einfacher wäre es doch, wenn auch er das vergessen könnte. Aber sie beide wussten, dass das unmöglich war.
Ulla staunte nicht schlecht, als sie am späten Vormittag auf ihrem Fahrrad zur Spätschicht in die Bäckerei kam. Vor der Tür stand eine Tafel mit einer aufgemalten Torte, unter der verschiedene Sahnetorten zu einem sensationellen Einführungspreis angeboten wurden.
»Sahnetorte in der Bäckerei Sigge«, murmelte sie ungläubig.
Sie stellte ihr Rad ab und beobachtete erstaunt den Strom von Kunden, der in dieser kurzen Zeit das Geschäft verließ. In der Bäckerei sah es nicht anders aus, so viele Kunden hatte Ulla um diese Zeit noch nie gesehen. Greta hatte hinter dem Tresen alle Hände voll zu tun.
»Ich hätte gerne noch vier Stück von der Mandarinen-Sahne-Torte«, sagte die Kundin, die gerade bedient wurde. »Die sieht ja wirklich köstlich aus.«
Ulla band sich ihre Schürze um und trat hinter den Tresen. »Was ist denn hier los?«, flüsterte sie Greta zu.
Greta kassierte bei der Kundin und gab dann ebenso leise zurück: »Jemand hat hier letzte Nacht Torten gebacken. Und die wollen plötzlich alle haben.«
Ulla schüttelte verständnislos den Kopf. »In dieser Bäckerei hat es doch immer nur Brötchen und Brot gegeben.«
»Wem sagst du das!« Greta schnitt die gewünschten Tortenstücke ab. »Ich frage mich, was Magnus sich dabei gedacht hat.« Sie hielt kurz inne. »Oder war das gar nicht Magnus?«, murmelte sie nachdenklich und mehr zu sich selbst. »Ob Meerjungfrauen Torten backen können?«
Lucia war froh, dass Magnus sie gewähren ließ. Es schien ihm sogar zu gefallen, dass sie in der Backstube aushalf und neue Ideen einbrachte, zumal die Torten ein voller Erfolg waren, nicht zuletzt finanziell. Es machte ihr Spaß, diese Dinge herzustellen, und sie freute sich jedes Mal, wenn sie feststellte, wie leicht ihr die Tätigkeiten von der Hand gingen. Warum auch immer. Sie genoss das Gefühl und fühlte sich wohl.
Magnus schien ihre Freude zu teilen. Nur manchmal, wenn er sich unbeobachtet glaubte, wirkte er sehr nachdenklich oder sogar traurig. Lucia ahnte, dass er in Gedanken der Zukunft vorauseilte und sich fragte, wie es sein würde, wenn sie sich wieder erinnerte. Oder von den Erinnerungen eingeholt wurde.
Im Augenblick aber war da nichts. Ihre Vergangenheit lag nach wie vor in völliger Dunkelheit. Sie genoss das Leben, das sie jetzt führte und wollte daran auch nichts ändern. Nachts, wenn sie alleine war, quälten sie die gleichen Befürchtungen wie Magnus. Was würde sein …? Morgen oder übermorgen …?
Heute Morgen allerdings drängte sie die Gedanken an die Vergangenheit und die Zukunft beiseite. Sie war auf dem Weg zu Lars’ Bauernhof und fühlte sich einfach nur glücklich. Eins mit sich und der Landschaft, durch die sie radelte.
Magnus hatte ihr den Weg so genau beschrieben, dass sie sich nicht verfahren konnte. Rechts von ihr lag die Ostsee, links wechselten sich Felder und Wiesen mit lichten Birkenhainen ab. Hin und wieder kam sie an rot gestrichenen Häusern vorbei, mit üppigen Blumen und Sträuchern in den Vorgärten. Die Vögel in den Bäumen zwitscherten, die Wellen rauschten.
Ich will hier nie wieder weg, schoss es ihr durch den Kopf.
Schließlich passierte sie die Wiesen mit den Apfelbäumen, die sich bis zum Bauernhof erstreckten. Ein Mann stand auf einer Leiter und pflückte die reifen Früchte.
Lucia hielt an
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