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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Bergsma
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stehen, und es sei
nur noch eine Frage der Zeit, bis sie alle eines qualvollen Feuertodes stürben.
Als sie die Küche betraten, hatte der Bekannte auf seinen offensichtlich in
aller Eile gepackten Koffern gesessen. Der untere Teil eines Sockens jedenfalls
hatte es nicht mehr ganz in das Gepäckstück geschafft und traurig an einer
Seite herausgehangen.
    „Wo brennt’s denn?“, hatte
Maartens Vater gerufen und hatte den Feuerlöscher schon in der Hand gehabt,
bereit, Frau und Kinder und Hab und Gut vor dem Flammeninferno zu retten.
„Welches Feuer?“, hatte der Bekannte verwirrt gefragt und dann mit Panik in der
Stimme gerufen: „Wir müssen alle sofort aufbrechen. Gerade haben sie es im
Radio gesagt.“
    „Sie haben gesagt, dass wir alle
sofort aufbrechen sollen? Wohin denn?“ Frau Sieverts hatte die Arme verschränkt
und nicht so ausgesehen, als gedenke sie, diesem Ansinnen Folge zu leisten,
ganz egal, was passieren würde.
    „Ja ... ähm ... nein, nicht
direkt“, hatte der Bekannte gestammelt. „Sie sagten, es gebe Sturmflutwarnung
für die gesamte Nordseeküste.“
    „Sturmflut.“ Herr Sieverts hatte
den Mann angesehen, als halte er ihn für nicht ganz zurechnungsfähig. „Ist das
alles? Ja nu, dann geh ich mal wieder ins Bett.“
    „Wie jetzt, ins Bett? Aber wir
saufen alle ab!“
    Familie Sieverts hatte mit einer
Handbewegung abgewinkt und war dann, einer nach dem anderen, wieder die Treppe
hinaufgeschlichen. Sturmflutwarnungen gab es an der Nordseeküste in Herbst und
Winter praktisch täglich. Kein Grund also, sich um den verdienten Schlaf
bringen zu lassen.
    „Was genau kann ich für dich tun,
Maarten?“, fragte Polizist Harry und stellte eine dampfende Tasse mit Kaffee
vor ihm auf den Tisch.
    „Es geht um Hauke.“
    „Ja, Mensch, wirklich blöde Sache
das. Arme Sonja.“ Harry schaute betrübt an einen imaginären Punkt auf dem
Schreibtisch und fing dann an, mit den Fingern dessen Holzmaserung
nachzuzeichnen.
    „Du sagtest mir im Sommer, dass
er Anzeige erstattet hatte, weil er meinte, man habe ihn vergiftet.“
    „Ach das.“ Harry machte eine
wegwerfende Handbewegung, als wolle er sagen Schnee von gestern .
    „Darf ich die Akte mal sehen?“
    „Wat?!“ Harry schaute ihn empört
an und straffte die Schultern. „Nee, du, das geht wirklich nich. Is
vertraulich, weißt du.“
    „Ja, klar, Harry, weiß ich doch“,
versuchte Maarten ihn zu beschwichtigen. „Aber Hauke ist doch nun schon eine
ganze Weile tot. Der Fall ist abgeschlossen. Da kann es doch nicht so schlimm
sein, wenn ich mal einen Blick in die Akte werfe. Ich meine“, er sah Harry
beschwörend in die Augen, „du weißt ja, ich hatte Hauke gerade erst
wiedergefunden, nach so langen Jahren, meinen besten Kumpel. Und dann ... und
dann das.“ Maarten legte in gespielter Verzweiflung die Hand vor die Augen.
„Verstehst du denn nicht, Harry“, sagte er mit gequälter Stimme, „ich möchte
doch nur wissen, was ihn in den letzten Wochen seines Lebens so umgetrieben
hat. Das hilft mir, das Geschehene zu verarbeiten. Bitte, Harry.“
    Harrys Gesicht war mit jedem
Wort, das Maarten sagte, länger geworden und fast sah es aus, als wolle er im nächsten
Moment anfangen zu weinen. Er kämpfte mit sich, das war deutlich zu sehen.
    „Bitte, Harry“, flüsterte Maarten
nochmals.
    „Na gut“, sagte der Polizist
schließlich, schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und stand auf. „Hast ja
recht. Hauke ist tot und der Fall ist damit abgeschlossen. Was soll da schon
passieren, wenn du da mal reinguckst.“ Er stand auf und ging zum Aktenschrank.
Maarten jubelte innerlich. Natürlich war das, was er hier mit Harry machte,
nicht ganz fair. Aber es ging schließlich darum, Hauke Gerechtigkeit widerfahren
zu lassen, wenn an seiner Vermutung wirklich etwas dran war.
    Es dauerte nicht lange, bis Harry
die Akte gefunden hatte. Er legte sie Maarten auf den Tisch. „Du warst nie
hier“, sagte er.
    „Natürlich nicht.“
    „Nun, dann kann ich ja mal für
einen Moment rausgehen und `ne Zigarette rauchen, wenn keiner hier ist.“ Damit
drehte sich Harry um und ging zur Tür.
    „Natürlich. Viel Spaß“, murmelte
Maarten und fing an, sich in die Akte Hauke Langhoff zu vertiefen.

20
    Der Sturm rüttelte an den
ausfahrbaren Markisen der hohen Glasfenster, was zu einem immer wiederkehrenden
metallischem Klackern führte. Entnervt stand Maarten von seinem Stuhl auf und
bediente den Schalter, um sie wieder einzufahren. So perfekt dieses

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