Windbruch

leben, dass er einfach nicht den Mut
aufgebracht hatte, seinen Wunsch zu äußern. Und genauso war es auch in den
kommenden Tagen geblieben, als er damit beschäftigt gewesen war, ein paar
geschäftliche Dinge zu regeln und seinen längeren Aufenthalt in Ostfriesland
vorzubereiten.
    Genau eine Woche nach seiner
Ankunft in Amerika hatte er wieder am Flughafen gestanden. Er war gerade beim
Einchecken gewesen und hatte seinen Reisepass über den Tresen geschoben, als
sich noch ein zweites Reisedokument hinzugesellte. Empört hatte er sich
umgedreht, um dem drängelnden Passagier mitzuteilen, dass er gefälligst zu warten
habe, bis er dran sei – und geradewegs in das grinsende Gesicht von Franziska
geschaut. „Hallo, Chef“, hatte sie gesagt, „ich dachte, Sie könnten mich da
drüben vielleicht gebrauchen.“
    Ja, und so kam es, dass sie nun
bereits seit zwei Monaten im Vorzimmer seines neuen Büros in Emden saß, das er
bei der N.S.OffshorePower Ltd. bezogen hatte - und er seinen Kaffee immer
noch selber kochte.

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    Ostfriesenzeitung vom 8.
November
    Fischer verlangen
Aufklärung – Arbeitsplätze in Gefahr
    (Greetsiel) Angesichts der
nicht enden wollenden Flut an toten Fischen, die tagtäglich an die Küsten
Ostfrieslands und der vorgelagerten Inseln gespült werden oder in die Netzte
der Fischer geraten, wird der Protest unter den Fischern immer lauter. Sie
fordern Aufklärung, denn, so einer der Fischer wörtlich, inzwischen könne ja
schließlich auch „der letzte Sesselfurzer“ nicht mehr davon ausgehen, dass das
heiße Wetter schuld an dem ebenso ominösen wie katastrophalen Fischsterben sei.
    Verständnis für die Wut der
Fischer äußerten die zuständigen Behörden, jedoch stünden sie nach wie vor vor
einem Rätsel. Mit Hochdruck werde Tag für Tag an der Erforschung der Ursache
gearbeitet. Da eine solche Situation wie diese aber in der Fischerei bisher
noch nie vorgekommen sei, habe man auch bei den Behörden keinerlei Erfahrungswerte
im Umgang damit.
    Nach wie vor bestünde trotz
aller Unklarheit aber keine Veranlassung, vom Verzehr der Nordseefische
abzusehen. In den genommenen Proben seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden.
    Trotz dieser beschwichtigenden
Worte aber geht der Fischkonsum in Ostfriesland bereits seit einigen Wochen
rapide zurück. Wenn es so weiterginge, so Fischer Harm Jansen aus Greetsiel,
werde der ein oder andere Kollege demnächst Konkurs anmelden müssen. Dutzende
Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Aber das scheine ja niemanden zu interessieren.

19
    Die ersten Herbststürme hatten
eingesetzt. Fröstelnd schälte sich Maarten aus seinen völlig durchnässten
Klamotten. Dabei hatte er am Morgen extra das dicke Ölzeug übergezogen, denn
ein Blick aus dem Fenster seiner kleinen Emder Dreizimmerwohnung hatte ihm
unmissverständlich gesagt, dass es ein ungemütlicher Tag werden würde. Der Hubschrauberflug
zur Bauplattform auf hoher See aber war trotz des stürmischen Wetters nicht
abgesagt worden. Selten hatte Maarten einen unwirtlicheren Platz erlebt, als da
draußen in der Nordsee, rund 40 Kilometer vor der Küste der Insel Borkum.
Nachdem er sich dort nur für wenige Stunden aufgehalten hatte, beneidete er
keine der Frauen und Männer, die dort tagtäglich ihrer Arbeit nachgingen.
    Vor Borkum errichtete die N.S.OffshorePower
Ltd. einen Windenergiepark. Als Ingenieur war Maarten tief beeindruckt von
den technologischen Höchstleistungen, die mit solch einem Projekt einhergingen.
Und nachdem er nun schon seit zwei Monaten selber ein Projekt vor der schottischen
Küste betreute, das allerdings erst auf dem Reißbrett existierte, hatte es ihn
einfach mal in den Fingern gejuckt, rauszufliegen und sich einen Eindruck bei
einem ähnlichen Projekt vor Ort zu verschaffen, dort, wo das, was er und seine
Kollegen in Gedanken und im Computer entwickelten, schließlich Realität wurde.
    Als er nun völlig durchgefroren
unter die heiße Dusche stieg, dachte er über die Worte nach, die ihm Steffen
Rautschek, der leitende Ingenieur auf der Bauplattform, kurz vor seinem
Rückflug zugeraunt hatte. Maarten hatte sie angesichts des Sturms und der
ohrenbetäubenden Geräusche unter dem Helikopter kaum verstehen können. „Ich
weiß, dass Sie ein kompetenter und verantwortungsbewusster Ingenieur sind“,
hatte er gesagt, und Maarten hatte angesichts dieser Lobhudelei schon entnervt
das Gesicht verzogen. Dann aber war Rautschek fortgefahren: „Natürlich weiß ich
auch, dass das