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Windbruch

Windbruch

Titel: Windbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Bergsma
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fest.
    Maarten und Tomke sprangen auf
und setzten sich zu Franziska aufs Sofa, jeder an eine Seite. Franziska fuhr
mit den Fingern die Kostenreihen hinunter, die einen Vergleich zwischen den
beiden Windkraftanlagen dokumentierten, und tippte bei einzelnen Posten auf die
Zahlen. Die Augen von Tomke wurden mit jedem Fingerzeig größer. „Du hast recht,
Franziska, da kann was nicht stimmen. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns
jetzt die Pläne nochmals ansehen. Da wurde doch an der ein oder anderen Stelle
gespart und ...“
    „Und wir werden jetzt
herausfinden, wo. Und dann werden wir schauen, was das für das Projekt für eine
Bedeutung hat“, führte Maarten ihren Satz zu Ende.
    „Aber erst mach ich den
Espresso“, sagte Tomke und erhob sich. „Dann können wir uns auch wieder besser
konzentrieren. Ich bin nämlich auch schon total kaputt.“
    Konzentriert gingen sie Posten
für Posten in der Kalkulation noch mal durch und schauten, an welcher Stelle
sich diese in den Konstruktionszeichnungen wiederfanden. Sie hatten sich darauf
geeinigt, dass hierbei jeder für sich selbst arbeitete und sich zu den
gewonnenen Erkenntnissen Notizen machte, um dann hinterher zu schauen,
inwieweit sich diese bei allen dreien in gleicher oder ähnlicher Form ergeben
hatten. Zwar war Franziska keine Ingenieurin. Aber was das Verknüpfen logischer
Zusammenhänge und, damit einhergehend, das Entdecken von Ungereimtheiten
anging, war sie den anderen beiden dennoch deutlich voraus, was Maarten und
Tomke neidlos anerkennen mussten.
    Draußen begann es schon zu
dämmern, als Maarten schließlich aufstand und seufzend die Gliedmaßen dehnte.
Er sagte kein Wort, sondern ließ die beiden Frauen in Ruhe weiterschauen. Ein
Blick durch das Wohnzimmerfenster sagte ihm, dass das Wetter sich auch in den
letzten Stunden nicht beruhigt hatte. Im Gegenteil schien der Wind sogar noch
zugenommen zu haben und es regnete nach wie vor. Dennoch beschloss er, kurz vor
die Tür zu treten, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Außerdem drohten ihm
die Augen zuzufallen; und die kalte Luft würde vermutlich die Lebensgeister
wieder zurückbringen.
    Maarten zog seine warme und
winddichte Outdoorjacke über und trat vor die Tür. Augenblicklich nahm ihm der
starke Wind, der direkt auf die Haustür stand, den Atem. Er japste auf, zog
sich rasch die Kapuze über den Kopf und drehte sich zur Seite, denn auch der
Regen stand beinahe senkrecht, schlug ihm erbarmungslos ins Gesicht und fing
bereits an, sich, der Schwerkraft folgend, einen Weg zu seinem Hemdausschnitt
zu bahnen.
    Unweigerlich musste Maarten an
einen Morgen in seiner Kindheit denken, als es draußen ähnlich zur Sache
gegangen war. Zunächst unbeeindruckt von dem typisch ostfriesischen Herbststurm
war er als vielleicht sechsjähriger Junge aus der Haustür hinausgetreten - und
hatte sich schon im nächsten Augenblick gewünscht, er hätte auf seine Mutter
gehört, die ihm erst wenige Minuten zuvor verboten hatte, auch nur daran zu
denken, das Haus zu verlassen, um seinen Freund Hauke zu besuchen. Denn kaum,
dass er die schützende Nische des Hauseinganges verlassen hatte, war er auch
schon von einer Windböe ergriffen und einige Meter weiter an die Garagenwand
geschleudert worden. Er hatte nichts dagegen tun können. Und es hätte nicht
viel gefehlt, dann hätte ihn auch noch die Mülltonne erwischt, die in diesem
Moment nur haarscharf an ihm vorbei flog. Es war ihm in seiner Panik nicht
einmal gelungen zu schreien, denn der Wind hatte ihm komplett den Atem
genommen, sobald er auch nur den Mund öffnete. Verzweifelt hatte er nach etwas
gesucht, woran er sich festkrallen konnte, aber es war nichts in greifbarer
Nähe gewesen. Und so hatte er sich bei dem Versuch, sich irgendwie mit der
Garagenmauer zu arrangieren, ganz bös die Handflächen an der rauen, mit
winzigen Stein- und Glaspartikeln durchsetzten Oberfläche aufgeschrammt. Er
hatte gerade mit seinem Leben abschließen wollen, als ihn plötzlich ein starker
Arm zurückgerissen und ihn zurück zur Haustür gezerrt hatte. Maarten hatte
nicht gewusst, wie ihm geschah und war noch ganz benommen gewesen, als er
schließlich wieder in der warmen und vor allem windstillen Stube gestanden
hatte, vor sich das wutverzerrte Gesicht seines Vaters. Im nächsten Augenblick
hatte es die erste und einzige Ohrfeige gesetzt, die ihm sein Vater jemals
verpasst hatte. Danach hatte sein Retter in der Not wortlos den Raum verlassen.
    Maarten schaute um die

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