Windbruch
einfach
nicht mehr darüber nach. Ich gehe jetzt mal zu Georg und werde das klären.“ Mit
einem gezwungen Lächeln fügte er, obwohl er es besser wusste, hinzu: „Bestimmt
hat er sich nur einen geschmacklosen Scherz erlaubt. Es wird sich alles aufklären,
da bin ich ganz sicher.“ Er wandte sich zur Tür und sah sich noch mal um. „Ich
bin gleich zurück, Tomke.“
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Was bildete sich dieses
überhebliche Schwein eigentlich ein!? Ihn vor versammelter Mannschaft zur Rede
zu stellen und ihn einen Lügner zu nennen! Ausgerechnet ihn, der doch nur
bemüht war, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen! Da hatte er gestanden,
dieser Sieverts, direkt vor seinem Bett und hatte ihn angeschrieen, er solle
verdammt noch mal seine Anschuldigungen gegen Tomke zurücknehmen, ob er, Georg
Hufschmidt, denn total durchgedreht sei. Und alle im Krankenzimmer hatten
zugehört, einschließlich seiner Frau, die schließlich am ganzen Körper
angefangen hatte zu zittern. Er hatte genau beobachtet, wie die Ohren seiner
Bettnachbarn immer größer wurden, wie sie gelauscht hatten, als Sieverts ihn
einen Psychopathen nannte.
Er! Ein Psychopath! Da hörte sich
doch alles auf! Nur weil er ab und zu mal eine Kapsel nahm, die ihn beruhigte,
war er doch noch lange keine Psychopath. Und er hatte doch genau gesehen, wie
Tomke den Kollegen Rautschek umgebracht hatte. Er hatte es gesehen, mit seinen
eigenen Augen, da war er sich jetzt absolut sicher. Und hatte sie es nicht
selbst zugegeben? Ja, er erinnerte sich genau. Sie hatte angefangen zu jammern
und gesagt, sie habe ihn umgebracht. Genau. Wörtlich hatte sie gesagt Ich
habe ihn auf dem Gewissen , als er an ihrem Bett gesessen hatte. Erst
gestern Mittag war das gewesen.
Er war hinterher ganz aufgewühlt
gewesen, und hatte schnell eine der roten Kapseln genommen, die ihm seine Frau
auf seine Anweisung hin ins Krankenhaus geschmuggelt hatte. Die dumme Kuh,
seine liebe Gattin, hatte sich doch tatsächlich weigern wollen. Ha! Ihm seine
Kapseln verweigern, wo er dem Tod doch gerade erst von der Schippe gesprungen
war und ohne seine Kapseln immerzu von Alpträumen geplagt wurde! Nein, damit
war sie nicht durchgekommen. Er hatte sie an die Nacht erinnert, als er sich
seinen Spaß mit ihr einfach geholt hatte, als sie sich schon mal verweigert
hatte. Oh, da war sie aber kleinlaut geworden, als er ihr androhte, es zu wiederholen,
sobald er zuhause sei. Ganz brav hatte sie ihm dann die Kapseln mitgebracht,
gleich hundert Stück. Ja, genauso wollte er es haben. Genauso wollte er seine
Frau haben. Klein und demütig. Und schon sehr bald würde er sie für immer los
sein. Denn hatte Tomke ihn nicht angelächelt, als er zu ihr gekommen war? Ja,
sicherlich hatte sie erkannt, was er für sie auf sich genommen hatte.
Schließlich war es gar nicht so einfach, in ein Zimmer der Intensivstation zu
gelangen, zu dem eigentlich keiner Zugang hatte. Aber er hatte viel Geduld
gezeigt, sich Ecke für Ecke und Nische für Nische vorgekämpft, bis er es
schließlich geschafft hatte, unbemerkt in Tomkes Zimmer zu schlüpfen. Oh ja,
sie hatte sich sehr gefreut ihn zu sehen. Und es war ganz bestimmt nicht schön
für ihn gewesen, ihr dann mitzuteilen, dass sie einen Mord auf dem Gewissen
hatte. Aber was konnte er anderes tun? Musste man nicht ehrlich zueinander
sein, wenn man sich liebte?
Nun war er wieder zuhause, heute
Morgen hatten sie ihn entlassen. Seine Frau hatte ihn abgeholt, und er hatte
sich gleich zuhause genommen, was ihm zustand, ihm, als Ehemann. Nein, sie
würde ihm nie wieder widersprechen, da konnte er ganz sicher sein. Aber dieser
Sieverts, der zeigte sich von seiner, Georgs, Überlegenheit völlig
unbeeindruckt. Der stand einfach da und schrie ihn an. Oh, er hätte ihn auf der
Stelle erwürgen können! Aber er hatte sich selbst zur Ordnung gerufen, hatte an
Tomke gedacht, daran, dass sie ohne ihn unglücklich werden würde. Also war er
ganz ruhig geblieben. Denn er musste ja dafür sorgen, dass es Tomke gut ging.
Tja, dass sie so dumm gewesen war, Rautschek zu ermorden, was er ja mit eigenen
Augen gesehen hatte, da konnte man nun nichts mehr dran ändern. Aber sie würde
nicht ins Gefängnis gehen, dafür würde er schon sorgen. Er würde sich um sie kümmern.
Und diesen Sieverts, den würde er
auch aus dem Weg räumen. Keiner durfte mit ihm, Georg Hufschmidt, so umspringen,
wie der es getan hatte. Was fiel dem eigentlich ein, sich als Tomkes Beschützer
aufzuspielen! Tomke hatte in ihm, Georg,
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