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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Fiffengurt, befahl ich mir selbst. Vertrau dich irgendjemandem an. Schließt euch zusammen. Nehmt Rose das Schiff weg.
    Ich setzte mich und stellte die Lampe zwischen meine Füße. Fünf Minuten vergingen, dann noch einmal fünf. Und dann war es zu spät.
    »MANN TREIBT IM MEER! MANN TREIBT IM MEER! ZWEI STRICH NACH STEUERBORD!«
    Die Stimmen drangen nur schwach zu mir. Ich dachte: Was ist denn jetzt wieder los, verdammt, wie kann es denn noch … {3}

34
     
    D IE F LAUTE
     
     
    6. Teala 941
    85. Tag nach Etherhorde
     
    »Es ist mit Sicherheit ein Mann«, sagte Isiq, der durch sein Fernrohr spähte. »Aber wie kommt er dorthin? Er hat kein Segel, nicht einmal einen Mast. Ich sehe Ruderdollen, aber keine Ruder. Wie konnte sich das Boot so weit vom Land entfernen?«
    Die Frage war berechtigt. Die Chathrand befand sich inzwischen sechs Stunden südlich von Ormael, fast genau auf halbem Wege nach Simja. Hunderte von Männern standen schwitzend in der Mittagssonne und gafften: ein einsames kleines Rettungsboot zwei Meilen abseits von ihrem Kurs, mit einem zerlumpten Insassen, der sich kaum bewegte und von kreischenden Möwen umschwirrt wurde. Im Heck war ein Kampfschild aufgebaut, und zu seinen Füßen lag unter einer Plane ein großer Klumpen. Mehr konnten sie auf diese Entfernung nicht erkennen.
    Auf dem Achterdeck sprach Kapitän Rose mit seinem Batterieoffizier. Daneben warteten Lady Oggosk und Sergeant Drellarek.
    Isiq und Hercól standen mit Pazel, Tascha und Neeps am Kreuzmast. Doktor Chadfallow hielt sich ein wenig abseits und hüllte sich in düsteres Schweigen. Pazel hatte seit dem Abendessen im Palast des Statthalters nicht mehr mit ihm gesprochen.
    »Es ist ein Volpek-Rettungsboot«, sagte Hercól. »Und es ist, denke ich, auch ein Volpek-Schild. Aber der Mann am Ruder ist zu klein für einen Söldner. Ich wünschte, ich könnte sein Gesicht sehen.«
    Tascha nahm ihrem Vater das Fernrohr ab und hielt es sich ans Auge. Dabei zuckte sie leicht zusammen. Sandor Otts Faustschlag hatte in ihrem Gesicht einen dicken Bluterguss hinterlassen. Der Mann im Boot wandte der Chathrand den Rücken zu. Er gestikulierte heftig, als führe er eine erregte Diskussion. Seine Füße ruhten auf dem schwarzen Haufen.
    »Diese Hände«, sagte sie. »Nur Haut und Knochen. Ich habe sie schon einmal gesehen, ich …«
    WUMM.
    Aus einer der vorderen Stückpforten stieg Rauch. Die Chathrand hatte einen Signalschuss abgegeben. Die Möwen stoben kurz auseinander, aber der Mann sah sich nicht einmal um.
    »Er ist entweder taub oder verrückt«, erklärte Eberzam Isiq.
    »Dürfen wir durch Ihr Fernrohr schauen, Exzellenz?«, fragte Pazel.
    Isiq nickte, und Tascha reichte ihm das Instrument. Die Jungen schauten nacheinander hinein. Dann sahen sie sich an und nickten.
    »Kein Zweifel«, sagte Neeps.
    »Es ist Mr. Druffle«, sagte Pazel.
    Und so war es. Der Freibeuter war noch magerer und noch zerlumpter, was Pazel nicht für möglich gehalten hätte, hätte er es nicht mit eigenen Augen gesehen. Seine nackten Füße hatten Brandblasen von der Sonne, und sein schwarzes Haar war schmutzig und verfilzt.
    »Wie zum Teufel kommt dieser Wirrkopf hierher?«, fragte Pazel.
    »Nicht zufällig, denke ich«, sagte Hercól ahnungsvoll.
    »Was soll das heißen?«
    Hercól antwortete nicht, sondern sah nur Chadfallow an. Der Arzt wich seinem Blick aus.
    Die Chathrand segelte ein wenig näher an das Rettungsboot heran. Kapitän Rose, den Oggosk in ein Gespräch verwickelt hatte, streifte es mit nervösen Blicken.
    »Unter seinen Füßen liegt ein Leichnam«, hörte Pazel plötzlich eine Stimme in seinem Ohr.
    Er zuckte zusammen, als hätte ihn eine Biene gestochen, was wiederum Tascha veranlasste, sich umzudrehen und ihn anzusehen.
    »Was hast du?«, fragte sie leise.
    Die Stimme gehörte einem Ixchel. Es war nicht Taliktrum, aber Pazel war sicher, sie schon einmal gehört zu haben. Wer immer es war, er versteckte sich nur wenige Schritte von ihm entfernt. Und er gebrauchte seine natürliche Stimme. Niemand außer Pazel konnte ihn hören. »Ein Leichnam«, wiederholte er. »Sag es ihnen.«
    Und das tat Pazel. Wenn man erst wusste, wonach man zu suchen hatte, war es offensichtlich. Druffles Füße ruhten auf der Brust eines Menschen, der ganz und gar in einen schwarzen Umhang gewickelt war. Es war ein schwerer Körper, ein ziemlich beleibter Mann vielleicht oder auch eine Frau.
    Mit einem Mal fiel Pazel wieder ein, wo er diese Ixchel-Stimme gehört hatte.

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