Wings of Love (German Edition)
zerschnitt er einen Apfel in zwei Hälften.
Er schlenderte zur Haustür, öffnete diese und setzte sich in den Sonnenschein auf die Türschwelle. Sein Blick glitt durch den Wald, doch während er genüsslich den halben Apfel aß, kreisten seine Gedanken immer wieder darum, wer ihn belauscht haben könnte.
Gleichzeitig mit den Flügelschlägen, die Noah aus seinen Grübeleien holten, landete der Rabe vor ihm auf dem Boden. Noah hielt dem schwarzen Vogel das letzte Stück des Apfels hin und zu seinem Erstaunen nahm dieser ein Stück davon an.
"Ich hab Dir gestern erzählt, wie lange ich kein Obst mehr zu Gesicht bekommen habe und heute liegt plötzlich welches vor meinem Zimmerfenster", flüsterte Noah und sah den Raben nachdenklich an.
"Ich dachte, hier gäbe es weit und breit niemanden, aber da scheine ich mich geirrt zu haben. Es behagt mir nicht, dass die Früchte auch noch direkt vor dem Fenster meines Zimmers lagen", erklärte er frei heraus, hob den Kopf und sah forschend die Umgebung an.
Der Rabe hatte sich inzwischen auf seinem Oberschenkel niedergelassen und als wäre es bereits eine alte Gewohnheit, suchten sich Noahs Finger den Weg auf das Federkleid des Tieres.
Der Rabe gab ein Schnarren von sich, dass der Junge als Geräusch des Wohlgefallens interpretierte, und ein leises, melodisches Lachen war seine Antwort darauf.
"Du bist ein erstaunliches Tier", kam es von Noah und seine Finger erlaubten sich, ganz behutsam über den Hals und Kopf des Raben zu streicheln.
Erneut gestattete sich der Junge, alles um sich herum zu vergessen und erst, als der Vogel ihn aus seiner Trance riss, ging Noah hinein und begann die restlichen Kartons auszupacken.
Es freute ihn, dass der Rabe mit jedem Blick, den er hinauswarf, noch immer in der Nähe auf den Ästen saß und ihm zuzusehen schien. Für Noah war dies ein Ansporn den Dingen aus den Kisten noch schneller einen Platz zu geben, wollte er doch unbedingt noch etwas Zeit mit dem Tier verbringen. Er war bereits am frühen Nachmittag mit allem fertig, griff die zweite Hälfte des Apfels, um sich damit erneut vor das Haus zu setzen.
Es dauerte nicht einmal eine Minute, und der große Vogel hatte es sich auf Noahs Schoss bequem gemacht. Wie schon am Morgen, gab der Junge dem Vogel ein Stück von dem Obst ab.
"Ich fühle mich nicht mehr so einsam, seit ich Dich in meiner Nähe habe", flüsterte Noah, nachdem er den letzten Bissen hinunter geschluckt hatte.
Der Junge lehnte an der Hauswand und mit jeder Sekunde, die er so, gemeinsam mit dem Raben da saß, entspannte er sich mehr.
Noah schlief ein, und als er das nächste Mal die Augen öffnete, blendete ihn das Licht, das durch sein Zimmerfenster schien.
Verwirrt sah er auf den Wecker und stellte fest, dass es bereits früher Morgen war, doch noch mehr verwirrte ihn, dass er angezogen im Bett lag.
Noah schreckte hoch, doch während er sich auf der einen Seite entspannte, weil der Alte ihn unmöglich ins Bett tragen würde, flackerte Sorge in ihm hoch, wer es stattdessen gewesen sein könnte.
Der Junge lauschte, doch konnte er keinerlei Geräusche im Haus hören, obwohl William um diese Zeit bereits durch die Gegend poltern müsste. Zögernd stand Noah auf, öffnete die Zimmertür und lauschte erneut, doch nichts war zu hören. Er ging durch das Haus, lauschte weiter und schlich vorsichtig hinauf in das Schlafzimmer Williams. Die Tür stand offen, das Bett war noch genauso zurechtgelegt, wie am Vortag.
Noah wusste nicht recht, wie er damit umgehen sollte, dass William anscheinend die Nacht nicht nach Hause gekommen war, kam dies doch zum ersten Mal vor.
Auf noch immer leisen Sohlen ging der Junge erneut durch das Haus, blickte sich überall um, ob der Alte nicht doch vielleicht in irgendeiner Ecke sturzbetrunken liegen geblieben sein könnte. Als Noah die Haustür öffnete und der Wagen nicht vor der Tür stand, wurde dem Jungen bewusst, dass er wirklich allein war.
Er ging wieder hinein, nahm sich, dankbar es bekommen zu haben, ein weiteres Stück des Obstes, und nachdem er sich frisch gemacht hatte, aß er es, wie am Vortag, vor dem Haus.
"Weißt Du, wer mich ins Bett gebracht hat?", fragte Noah den Raben, nachdem dieser unmittelbar vor ihm landete. Als dieser krächzte, erwiderte der Junge: "Das hilft mir nicht weiter, aber danke für die Antwort."
Er gab dem Raben ein Stück Apfel, und während er das Tier streichelte, fragte sich der Junge, wie es nun weiter gehen sollte. Was wäre, wenn der Alte gar nicht mehr kommen
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