Wings of Love (German Edition)
doch nur zu genau, dass es William nicht genug sein würde.
Mit dem ersten Geräusch des Motors pochte Noahs Herz schneller, und als der Transporter vor der Tür zum Stehen kam, versuchte sein Körper dem inneren Druck bereits durch Zittern Ausdruck zu verschaffen. Er zuckte heftig, als er das Zuschlagen der Beifahrertür hörte und eine fremde Stimme an seine Ohren drang.
Kurz darauf stand William Trend mit einer Frau in der Tür, bei der Noah sich nur mit Mühe den angewiderten Gesichtsausdruck verkneifen konnte.
"Das ist das Drecksbalg, von dem ich Dir erzählt habe Lisa, der Teufel, den sie mir als mein eigen Fleisch und Blut unterjubeln wollte, die verdammte Hure!", lallte William und die Frau neben ihm verfiel in ein gehässiges Lachen.
"Die Hure hat wohl nicht gewusst, was sie an Dir als Mann hat, aber glaube mir Willi, ich weiß es durchaus", lallte die schmierige, dicke Frau und fasste dem Alten vor den Augen des Jungen in den Schritt.
Noah senkte den Blick, starrte auf den Boden zu seinen Füßen und erstaunt hörte er, wie William sagte: "Immerhin hat das Stück Scheiße geschafft, ein wenig Ordnung zu schaffen!"
Eine Tüte flog vor die Füße Noahs und William befahl dem Jungen, etwas zu Essen zu machen. Froh aus dem Sichtfeld der beiden entkommen zu können, griff Noah nach den Henkeln und verschwand in der Küche.
Während er das Essen zubereitete, zweigte der Junge von allem ein wenig ab. Von dem frischen Brot ein Stück mehr, glitten doch seine Gedanken automatisch zu dem Raben.
Er tat alles in eine kleine Tüte, öffnete das Küchenfenster leise und legte es draußen auf das Sims, wusste er doch nicht, ob er noch die Möglichkeit haben würde, ein weiteres Mal in die Küche zu gehen.
Er stellte die Schüsseln und Teller auf dem Esstisch des Wohnzimmers ab und kaum hatten William und die Frau Platz genommen, bekam er nur noch ein: "Verpiss Dich!", zu hören.
Noah nahm all seinen Mut zusammen und fragte verhalten: "Darf ich noch ein wenig raus, solange es hell ist?"
Die Frage kam nicht leicht über seine Lippen, aber er wusste, dass die Strafe bösartig sein würde, wenn er einfach so gehen würde.
William nickte harsch, aber die funkelnden Augen fixierten ihn und er sagte in gefährlichem Tonfall: "Bleib in Hörweite, sonst bist Du fällig!"
Noah nickte und verließ auf direktem Weg das Haus. Der Junge ging zielstrebig zum Küchenfenster, griff sich die dort hinterlegte Tüte, doch als er sich umsah, entdeckte er nirgends den Raben.
"Schade", flüsterte Noah und begab sich langsamen Schrittes in den Wald hinein. Er suchte einen großen Baum, setzte sich auf den Boden davor und breitete das spärliche Essen auf der Tüte aus.
Noah hob den Kopf, als er Flügelschläge vernahm. Kurz darauf landete der Rabe neben ihm auf dem Boden.
"Ich dachte schon, dass Du weg wärst", erklärte Noah und legte dem Raben ein Stück Brot hin, während er sich selbst etwas von dem rohen Gemüse nahm und lustlos darauf herumkaute.
Erstaunt sah er, wie der Rabe das Brot in den Schnabel nahm, mit kurzen Schlägen der Flügel über seine Beine hüpfte, um es anschließend auf der Tüte abzulegen.
Nachdem der Rabe sich von der Unterlage entfernt hatte, nahm Noah das Stück und legte es ihm wieder vor den Schnabel.
"Nimm es bitte."
Nachdenklich sah er auf die Mohrrübe in seinen Fingern und flüsterte: "Ich habe schon lange keinen Hunger mehr, er vergeht mit der Zeit und mein Magen meldet sich nur noch selten."
Der Vogel nahm das Brot und Noah erschrak, als dieser mit den Flügeln schlug und direkt auf seinen Oberschenkeln landete. Der Rabe ließ dem Jungen das Stück auf die Hand fallen und blieb still sitzen.
Noah sah das Tier nachdenklich an, sagte nichts und steckte sich das Brot in den Mund. Der Blick des Jungen wurde leer, während seine Hand sich, ohne dass er es wirklich registrierte, selbstständig machte und behutsam über die schwarzen Brustfedern des Raben glitten.
"Er bringt selten Gemüse mit und ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal Obst zu Gesicht bekommen habe", erklärte Noah und fuhr fort: "Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, dabei ist sie noch gar nicht so lange tot. Meistens bringt er Pizza mit und sein Bier oder Schnaps, auch gar nichts, wenn er woanders Essen war. Ich war schon immer dünn, hab nie viel gegessen. Manchmal wird es schwer, wenn er zwei Tage nichts mitbringt, es waren auch schon mal drei. Irgendwann mag ich dann nicht mal mehr Wasser trinken."
Noah schwieg lange, hing seinen Gedanken
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