Winslow, Don
nichts anhängen, aber in den USA sieht das
ganz anders aus, also bedankt er sich bei Paco und fragt, ob der ihm das Ding
nicht nach Tijuana bringen kann. Es ist eher eine hypothetische Frage, denn
entweder muss man sehr gute
Beziehungen haben, wenn man irgendwelche Waffen, gar noch eine
Maschinenpistole, nach Mexiko schmuggeln will, oder man muss ein Volltrottel
sein. Wer dabei erwischt wird, den schlagen die Federales windelweich, bevor er
seine Mindeststrafe von zwei Jahren Gefängnis antritt. In den mexikanischen Gefängnissen
gibt es keine Verpflegung, das ist Sache der Angehörigen, wie Paco weiß, nur
hat er in Mexiko keine Angehörigen mehr. Und da er weder besonders gute
Beziehungen hat noch ein Volltrottel ist, sagt er zu Quito, dass er ihm den
Gefallen nicht tun kann.
Aber weil er die Mac io dringend zu Geld machen muss, vertröstet er Quito: »Ich denke drüber nach
und ruf dich zurück.«
Er legt auf und sagt zu Art Keller: »Er kommt nicht rüber.«
»Dann hast du ein Riesenproblem«, sagt Keller.
Und das ist kein Scherz. Eine Anklage wegen Kokain und Waffenbesitz. Nur
für den Fall, dass Paco damit nicht zu beeindrucken ist, fügt Keller hinzu:
»Ich bringe das vors Bundesgericht und beantrage noch zusätzliche
Haftstrafen.«
»Ich geb mir ja schon Mühe!«, jammert Paco.
»Mühe allein genügt nicht«, sagt Keller.
»Sie sind ein richtiger Gangster, wissen Sie das?«
»Ich weiß«, sagt Keller. »Fragt sich, ob du das weißt.«
Paco sackt auf seinem Stuhl zusammen.
»Okay«, sagt Keller. »Hol ihn an den Zaun.«
»Wirklich?«
»Den Rest erledigen wir.«
Also geht Paco wieder ans Telefon und bestellt Quito in den Coyote Canyon,
an den löchrigen Grenzzaun. Niemandsland.
Wer sich nachts in den Coyote Canyon wagt, sollte das nicht unbewaffnet
tun, und selbst dann kann es sehr gefährlich werden, weil man nicht der
Einzige ist, dem dort das Schießeisen locker sitzt. Coyote Canyon zieht sich
wie eine Narbe durch die kahlen Wüstenberge entlang der Pazifikküste. Er
beginnt in Tijuana, reicht etwa zwei Meilen weit in die USA und gehört den
Banditen. Jeden Nachmittag sammeln sich Tausende von Grenzgängern an den
beiden Rändern des Canyons über dem stillgelegten Aquädukt, der die
Staatsgrenze markiert. Wenn die Sonne untergeht, rennen sie los, quer durch den
Canyon, und überwinden die Grenzwachen einfach kraft ihrer Überzahl. Eine
einfache Rechnung: Einige werden gefasst, viele kommen durch. Und für die, die
gefasst werden, gibt es immer noch den nächsten Tag. Vielleicht.
Denn auch die banditos liegen auf der Lauer, wenn der Pulk der mojados nach Norden strömt. Greifen sich die Schwachen und
Kranken. Rauben, schänden, morden. Nehmen das bisschen Geld, das die Illegalen
bei sich tragen, zerren die Frauen in die Büsche und vergewaltigen sie,
schlitzen ihnen die Kehle auf.
Wer in den Estados Unidos Orangen pflücken will, muss im Coyote Canyon
Spießruten laufen. Und mitten im Chaos, im Staub, den Tausende Füße aufwirbeln,
in der Dunkelheit voller Schreie, Schüsse, blitzender Klingen und Grenzer in
Patrouillenfahrzeugen, die dröhnend durch die Hügellandschaft kurven wie
Cowboys, die einer durchgegangenen Rinderherde nachjagen, werden auch Geschäfte
abgewickelt.
Es geht um Drogen, Sex und Waffen.
Und heute Nacht duckt sich auch Quito neben ein Loch im Grenzzaun.
»Hast du die Waffe?«, fragt er Paco. »Erst das Geld.«
Quito sieht die Macio im Mondlicht glänzen, daher ist er ziemlich sicher,
dass ihn sein alter cuate nicht übers Ohr haut. Er streckt die Hand durchs Loch, um Paco das Geld zu
geben, und Paco greift -
- nicht nach dem Geld, sondern nach seinem Handgelenk. Und hält es fest.
Quito will die Hand zurückziehen, aber plötzlich sind da drei Yankees,
halten ihn fest, und einer sagt: »Sie sind verhaftet wegen Mordes an Ernie
Hidalgo.«
Quito sagt: »Sie können mich nicht verhaften, ich bin in Mexiko.«
»Kein Problem«, sagt Keller.
Und zieht ihn hinüber in die Vereinigten Staaten, zerrt ihn einfach durch
das Loch im Zaun, aber ein spitzer Draht hakt sich in Quitos Hose fest. Keller
lässt nicht locker, und der Draht bohrt sich in sein Gesäß und kommt auf der
anderen Seite wieder heraus.
Da liegt er also genau auf der Grenzlinie und schreit: »Ich hänge fest,
ich hänge fest!«
Keller kümmert das nicht. Er stemmt den Fuß gegen den Zaun und zieht Quito
mit einem Ruck auf die amerikanische Seite. Quito schreit jetzt erst richtig
los, weil er verletzt
Weitere Kostenlose Bücher