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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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Freunden. Sie
will, dass es ihre Kinder besser haben - bessere Schulen, Kultur, ein Gefühl
dafür, dass die Welt mehr zu bieten hat als dieses groteske Märchenschloss am
Ende der Welt.
    Und Fabián verkörpert dieses Gefühl - sie haben darüber geredet. Er will sie
herausführen aus dem engen Kreis der narcotraficantes, er will Freundschaften aufbauen, Beziehungen zu Bankiers, Investoren,
sogar zu Künstlern und Schriftstellern.
    Genau das
wünscht sie sich.
    Für sich
und ihre Kinder.
    Daher wird
sie, als sich Gúero beim Frühstück vom Tisch entfernt und Fabián ihr das Wort »heute« zuflüstert, von einer ungeheuren Erregung
gepackt. Es ist fast ein kleiner Orgasmus.
    »Heute?«,
flüstert sie zurück.
    »Gúero
muss wegfahren«, sagt Fabián. »Seine
Felder inspizieren.«
    »Ja.«
    »Wenn ich
zum Flughafen fahre, kommst du mit. Ich habe einen Flug nach Bogotá gebucht.«
    »Auch für
die Kinder?«
    »Natürlich.
Kannst du ein paar Sachen einpacken? Schnell?«
    Jetzt hört
sie Gúeros Schritte auf dem Flur. Sie schiebt
den Koffer unters Bett.
    Er sieht
die verstreuten Sachen. »Was machst du?«
    »Ich
wollte ein bisschen altes Zeug aussortieren«, sagt sie. »Das bringe ich zur
Kirche.«
    »Und dann
gleich wieder shoppen?«, fragt er, um sie zu necken. Er mag es, wenn sie
einkauft, wenn sie Geld ausgibt. Er ermuntert sie dazu.
    »Wahrscheinlich.«
    »Ich muss
weg«, sagt er. »Den ganzen Tag, vielleicht sogar über Nacht.«
    Sie küsst
ihn zärtlich. »Du wirst mir fehlen.«
    »Du mir
auch«, sagt er. »Vielleicht suche ich mir eine kleine Freundin, um mich zu
wärmen.«
    War mir
nur recht, denkt sie. Dann würdest du mich öfter mal in Ruhe lassen. Aber sie
sagt: »Du doch nicht. Du bist doch nicht wie diese Gomeros. «
    »Und ich
liebe meine kleine Frau.«
    »Ich dich
auch.«
    »Ist Fabián schon weg?«
    »Nein, ich
glaube, er packt gerade.«
    »Dann sag
ich ihm auf Wiedersehen.«
    »Und gib
den Kindern einen Kuss.«
    »Schlafen
die nicht noch?«
    »Natürlich«,
sagt sie. »Aber sie freuen sich, wenn du ihnen zum Abschied einen Kuss gibst.«
    Er umarmt
seine Frau und küsst sie. »Eres toda mi vida.« Du bist
mein Ein und Alles.
    Kaum ist
er gegangen, schließt sie die Tür und holt den Koffer unterm Bett vor.
     
    Adán sagt seiner Familie Adieu.
    Geht ins
Kinderzimmer und küsst Gloria auf die Wange. Das Mädchen strahlt.
    Trotz
allem, denkt Adán, ist sie so
fröhlich, so tapfer. Im Käfig am Fenster zwitschert der Vogel, den er ihr aus
Guadalajara mitgebracht hat.
    »Hast du dem Vogel einen Namen
gegeben?«, fragt er. »Gloria.«
    »Er heißt so wie du?«
    »Nein«, kichert sie. »Wie Gloria
Trevi.«
    »Aha.«
    »Du fährst weg, nicht wahr?«, sagt
sie. »Ja.«
    »Papaaa...«
    »Nur eine Woche etwa.«
    »Wohin?«
    »Ziemlich weit weg. Costa Rica.
Vielleicht Kolumbien.«
    »Warum?«
    »Um Kaffee zu kaufen. Für die
Restaurants.«
    »Kaffee gibt es doch auch hier.«
    »Der ist nicht gut genug für
unsere Restaurants.«
    »Darf ich mitkommen?«
    »Diesmal nicht«, sagt er.
»Vielleicht nächstes Mal.«
    Wenn es
ein nächstes Mal gibt, denkt er. Wenn alles läuft, wie es laufen soll in
Badiraguato, in Culiacán und auf
der Brücke über den Rio Magdalena, wo er die Orejuelas treffen will.
    Wenn alles gutgeht, meine Kleine.
    Wenn
nicht, dann weiß Lucia, wo die Versicherungspolicen liegen, wie sie an die
Konten auf den Caymans herankommt, an die Wertpapiere in den Schließfächern.
Wenn es nicht gutgeht, dann stoßen ihn die Orejuela-Brüder von der Brücke, dann
haben seine Frau und sein Kind für den Rest ihres Lebens ausgesorgt.
    Auch Nora.
    Er hat bei seinem Banker ein Konto
für sie eingerichtet.
    Wenn er
von dieser Reise nicht zurückkommt, hat sie alles, was sie braucht, um sich
selbständig zu machen, ein neues Leben anzufangen.
    »Was soll ich dir mitbringen?«,
fragt er seine Tochter. »Dass du wiederkommst«, sagt sie.
    Geradezu
unheimlich, die Intuition kleiner Kinder, denkt er. Als könnten sie Gedanken
lesen.
    »Dann lass
dich überraschen«, sagt er. »Gibst du Papa einen Kuss?«
    Er spürt
ihre trockenen Lippen auf der Wange, ihre dünnen Ärmchen, die sich um seinen
Hals schlingen und nicht loslassen wollen. Das bricht ihm das Herz. Am liebsten
würde er bei ihr bleiben, und für einen Moment wird er schwankend. Soll er
nicht doch lieber aussteigen, sich nur noch um die Restaurants kümmern? Aber
dafür ist es zu spät - jetzt steht der Krieg mit Gúero bevor, und wenn sie Gúero
nicht

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