Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
aber das hier ist eindeutig etwas anderes … Sie ist dreiundzwanzig … Ja, verheiratet … Keine Kinder … Ich frage sie.« Er hob die Stimme. »Könnten Sie schwanger sein?«
»Ja«, antwortete Daisy. »Im dritten Monat.«
Lloyd wiederholte ihre Antwort. Dann blieb es lange still. Schließlich legte er auf, kam zu ihr zurück und setzte sich auf die Bettkante. »Der Arzt kommt, so schnell er kann. Er operiertgerade einen Bergmann, der unter einen Förderwagen gekommen ist. Seine Frau ist sich allerdings ziemlich sicher, dass Sie eine Fehlgeburt erlitten haben.« Er nahm ihre Hand. »Es tut mir sehr leid, Daisy.«
»Danke«, wisperte sie. Zwar hatte der Schmerz nachgelassen, dafür hatte tiefe Traurigkeit sie erfasst. Nun würde es keinen Erben der Grafschaft geben. Boy würde sich schrecklich darüber aufregen.
»Mrs. Mortimer sagt, so etwas kommt häufig vor«, erklärte Lloyd. »Viele Frauen erleiden in ihrem Leben eine oder zwei Fehlgeburten. Eine Gefahr besteht dadurch nicht, vorausgesetzt, die Blutung ist nicht zu stark.«
»Und wenn es schlimmer wird?«
»Dann muss ich Sie nach Merthyr ins Krankenhaus fahren. Aber zehn Meilen auf einem Armeelaster wären ganz sicher nicht gut für Sie, deshalb werden wir darauf verzichten, solange Sie nicht in Lebensgefahr schweben.«
Daisy hatte keine Angst mehr. »Ich bin sehr froh, dass Sie da waren.«
»Darf ich einen Vorschlag machen?«
»Sicher.«
»Glauben Sie, Sie können ein paar Schritte gehen?«
»Ich weiß nicht …«
»Ich werde Ihnen ein Bad einlassen. Versuchen Sie, ob Sie es zur Wanne schaffen. Wenn Sie sauber sind, werden Sie sich viel besser fühlen.«
»Ja.«
»Danach können Sie sich notdürftig verbinden.«
»Ist gut.«
Er kehrte ins Badezimmer zurück, und Daisy hörte Wasser laufen. Sie setzte sich aufrecht hin. Ihr wurde schwindlig, und sie ruhte sich kurz aus, bis ihr Kopf wieder klar war. Dann schwang sie die Beine aus dem Bett. Sie saß in ihrem eigenen gerinnenden Blut und ekelte sich vor sich selbst.
Sie hörte, wie das Rauschen des Wassers verstummte. Lloyd kam zurück und nahm sie beim Arm. »Wenn Sie merken, dass Sie zu schwach sind, sagen Sie es mir. Ich lasse Sie nicht fallen.« Er war überraschend kräftig und trug sie mehr ins Bad, als dass er sie führte. Irgendwann rutschte ihre zerrissene Unterwäsche zuBoden. Seltsamerweise war es ihr in Lloyds Gegenwart kein bisschen peinlich. Schließlich stand sie neben der Wanne und ließ sich von Lloyd die Knöpfe hinten am Kleid öffnen.
»Schaffen Sie den Rest allein?«, fragte er.
Daisy nickte, und er verließ das Bad.
Sie stützte sich auf den Wäschekorb und zog sich langsam aus. Ihre Kleidung ließ sie als blutbefleckten Haufen auf dem Boden liegen. Vorsichtig stieg sie in die Wanne. Das Wasser war gerade richtig. Als sie sich zurücklehnte und ruhig dalag, ließen die Schmerzen nach. Sie empfand tiefe Dankbarkeit gegenüber Lloyd. Er war so freundlich und hilfsbereit, dass sie am liebsten geweint hätte.
Nach ein paar Minuten öffnete sich die Tür einen Spalt weit, und Lloyds Hand erschien mit ein paar Kleidungsstücken. »Ein Nachthemd und ein paar andere Dinge«, sagte er, legte die Sachen auf den Wäschekorb und schloss die Tür wieder.
Als das Wasser kühler wurde, stieg Daisy aus der Wanne. Wieder wurde ihr schwindlig, aber nur für einen Moment. Sie trocknete sich mit einem Handtuch ab und zog das Nachthemd und die Unterwäsche über, die Lloyd ihr gebracht hatte. Ein kleines Gästetuch steckte sie in ihr Höschen, denn noch immer blutete sie ein wenig.
Als sie wieder ins Schlafzimmer kam, hatte Lloyd ihr das Bett mit frischen Laken und Decken bezogen. Daisy setzte sich aufrecht hinein und zog sich die Decke bis unter das Kinn.
Lloyd kam aus dem Wohnzimmer. »Offenbar geht es Ihnen besser«, sagte er. »Sie sehen verlegen aus.«
»Verlegen ist nicht das richtige Wort«, erwiderte sie. »Beschämt triff es eher, aber selbst das kommt mir untertrieben vor.« Doch die Wahrheit war nicht so einfach. Daisy krümmte sich innerlich zusammen, wenn sie daran dachte, wie Lloyd sie gesehen hatte. Andererseits hatte er nicht den leisesten Anflug von Ekel gezeigt.
Lloyd ging ins Bad und hob ihre blutigen Kleidungsstücke auf. Offenbar machte Menstruationsblut ihm nichts aus.
»Wohin haben Sie die Bettwäsche getan?«, fragte Daisy.
»Im Blumenzimmer habe ich ein großes Waschbecken gefunden. Ich habe sie in kaltem Wasser eingeweicht. Das Gleiche mache ich mit Ihrer
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