Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
sagen, in welcher Partei, was den Schluss zuließ, dass sein Vater nicht der NSDAP angehört hatte. Beck redete nie schlecht über Hitler, sagte aber auch nichts Positives über ihn. Außerdem sprach er niemals schlecht über die Juden und Kommunisten. In Zeiten wie diesen war selbst das schon subversiv.
    Becks Lunge würde heilen, aber er würde nie wieder kräftig genug sein, um an die Front zurückzukehren. Er erzählte Carla, man habe ihn in den Generalstab versetzt.
    Nach Carlas Überzeugung konnte dieser Mann sich als Goldmine erweisen. Sie würde zwar ihr Leben riskieren, wenn sie an Beck herantrat, um ihn zu rekrutieren, aber sie musste es versuchen; eine solche Chance bot sich ihr wahrscheinlich nie wieder.
    Carla wusste, dass Beck sich nicht an ihr erstes Gespräch würde erinnern können, als er unter starken Medikamenten gestanden hatte. »Sie waren sehr offen«, sagte sie leise, obwohl niemand in der Nähe war. »Sie haben gesagt, dass wir den Krieg verlieren.«
    Angst flackerte in Becks Augen. Jetzt war er nicht mehr der benebelte, stoppelbärtige Patient im Krankenhausgewand. Er war gewaschen und rasiert, und er saß aufrecht im Bett und trug einen dunkelblauen Pyjama. »Ich nehme an, Sie werden mich jetzt der Gestapo melden«, sagte er. »Ich glaube allerdings nicht, dass ein Mann dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn er im Delirium wirres Zeug redet.«
    »Das haben Sie nicht«, erwiderte Carla. »Sie haben sich klar und deutlich ausgedrückt. Aber ich werde Sie niemandem melden.«
    »Nicht?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil Sie recht haben.«
    Beck war überrascht. »Jetzt sollte ich wohl Sie melden.«
    »Wenn Sie das tun, werde ich aussagen, dass Sie Hitler im Delirium beleidigt haben, und als ich dann gedroht habe, Sie zu melden, hätten Sie sich diese Geschichte ausgedacht und mich aus Angst zuerst angezeigt.«
    »Wenn ich Sie denunziere, werden Sie auch mich denunzieren«, sagte Beck. »Das nennt man wohl ein Patt.«
    »Aber Sie werden mich nicht denunzieren«, erwiderte Carla.
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Weil ich Sie kenne. Ich habe Sie gepflegt. Sie sind ein guter, aufrechter Mann. Sie sind aus Vaterlandsliebe zur Wehrmacht gegangen, aber Sie hassen den Krieg, und Sie hassen die Nazis.« Carla war sich zu neunundneunzig Prozent sicher.
    »Es ist gefährlich, so zu reden«, bemerkte Beck.
    »Ich weiß.«
    »Dann ist das also kein beiläufiges Gespräch.«
    »Stimmt. Sie haben gesagt, es würden noch Millionen sterben, nur weil die Nazis zu stolz sind, um aufzugeben.«
    »Habe ich das gesagt?«
    »Sie könnten helfen, wenigstens ein paar von diesen Millionen zu retten.«
    »Und wie?«
    Carla hielt kurz inne. Nun waren sie an dem Punkt, an dem sie ihr Leben riskierte. »Ich kann jede Information, die Sie bekommen, an die richtigen Stellen weiterleiten.« Sie hielt den Atem an. Wenn sie sich in Beck geirrt hatte, war sie so gut wie tot.
    Carla sah das Erstaunen in seinen Augen. Der Oberst konnte sich nicht vorstellen, dass diese tüchtige junge Krankenschwester eine Spionin war. Aber er glaubte ihr; das war nicht zu übersehen.
    »Ich glaube, ich verstehe Sie«, sagte Beck.
    Carla reichte ihm eine leere grüne Krankenhausaktenmappe.
    »Wofür ist das?«, fragte er.
    »Sie sind Soldat. Sie wissen doch, was Tarnung ist.«
    Er nickte. »Sie riskieren Ihr Leben«, sagte er, und Carla sah so etwas wie Bewunderung in seinen Augen.
    »Das tun Sie jetzt auch.«
    »Ja«, erwiderte der Oberst. »Aber ich bin daran gewöhnt.«

    Früh am Morgen nahm Thomas Macke den jungen Oberleutnant Werner Franck mit zur Haftanstalt Plötzensee in Charlottenburg. »Ich möchte, dass Sie sich etwas ansehen«, sagte er. »Dann können Sie General Dorn berichten, wie effektiv wir sind.«
    Macke parkte am Schuckertdamm und führte Werner in den hinteren Teil des Gefängnisgebäudes. Sie betraten einen etwa fünfzehn Meter langen und halb so breiten Raum. Dort wartete ein Mann in Frack, Zylinder und weißen Handschuhen. Verwirrt vom Anblick dieser seltsamen Kostümierung runzelte Werner die Stirn.
    »Das ist Herr Reichhart«, sagte Macke. »Der Henker.«
    Werner schluckte. »Dann werden wir uns eine Hinrichtung anschauen?«
    »Ja.«
    Gelassen, auch wenn es wahrscheinlich nur gespielt war, fragte Werner: »Aber warum dieses seltsame Kostüm?«
    Macke zuckte mit den Schultern. »Tradition.«
    Ein schwarzer Vorhang teilte den Raum in zwei Hälften. Macke zog ihn zurück. Ein Stahlträger unter der Decke kam

Weitere Kostenlose Bücher