Winter der Zärtlichkeit
nie so aus.“
„Das müssen wir so bald wie möglich ändern.“
Innerlich kochte Sierra. Sie und Liam waren verpflichtet, ein Jahr auf der Ranch zu leben, das war Teil der Vereinbarung. Zwölf Monate. Die Zeit würde mit Sicherheit schnell vergehen, und sie wollte nicht, dass ihr Sohn in der heiligen McKettrick-Erde Wurzeln schlug, nur um sie dann wieder ausreißen zu müssen.
„Liam sieht gut aus, so wie er ist“, sagte sie.
Travis warf ihr einen langen, nachdenklichen Blick zu. „Das stimmt“, nickte er freundlich. „Mein Kumpel Liam ist ein gut aussehender Cowboy. Genau genommen sieht er Jesse sehr ähnlich, als der in seinem Alter war.“
Noch eine Verbindung mit dem sagenumwobenen McKettrick-Clan. Sierra wandte unbehaglich den Blick ab. Sie hatte Liams Sachen bereits eingesammelt, doch jetzt ordnete sie sie neu, nur um etwas zu tun zu haben.
Eine halbe Stunde später saßen sie in Travis’ Truck. Liam, der angeschnallt hinter Travis und Sierra saß, war umgehend eingeschlafen, doch seine Hände umklammerten den DVD- Player. In Gedanken umklammerte Sierra den neuen, von Dr. O’Meara verschriebenen Inhalator mindestens ebenso fest, den sie in der Krankenhausapotheke gekauft hatten und der jetzt in ihrer Tasche lag.
Während der Fahrt sprach Travis wenig, sondern konzentrierte sich auf die vereisten Straßen. Doch Sierra war sich seiner deutlich bewusst, und zwar auf eine Weise, die sie ärgerte. Er war wie ein Fels in der Brandung gewesen seit Liams Anfall, wofür sie ihm wirklich dankbar war. Aber sie konnte es sich nicht leisten, auf ihn angewiesen zu sein, weder emotional noch sonst wie - und von ihrem Sohn wollte sie das auch nicht. Vielleicht war es für Liam schon zu spät. Er bewunderte
Travis Reid, und niemand konnte wissen, welche Fantasien durch sein kleines Hochleistungsgehirn tollten. Vermutlich Bilder, wie er und Travis über die Ranch ritten, zusammen Baseball spielten und in einem klaren Bergsee angelten.
All die Dinge, die ein Junge mit seinem Dad machte.
„Sierra?“
Weil sie befürchtete, dass er die Verwundbarkeit in ihren Augen sehen konnte, wagte sie es nicht, ihn anzusehen. All ihre Nerven schienen außerhalb ihrer Haut zu liegen. „Was?“
„Ich habe mich nur gefragt, was Sie gerade denken.“
Das würde sie ihm natürlich nicht verraten, da er dann sicher glauben würde, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, was nicht der Fall war.
Nicht sehr jedenfalls.
Also log sie. „All about Eve.“
Er lachte über ihren dünnen Witz, und Sierra musste ihm zugutehalten, dass er ihre Anspielung auf den alten Film verstanden hatte. Vielleicht hatten sie doch ein paar Gemeinsamkeiten.
„Ich könnte mir vorstellen, dass sie jetzt selbst auf glühenden Kohlen sitzt. Sie kann es bestimmt kaum erwarten, Sie und Liam endlich zu sehen. Aber es wird für sie auch nicht leicht sein.“
„Ich will auch nicht, dass es für sie leicht ist“, antwortete Sierra.
„Vielleicht hat sie einen guten Grund für das, was sie getan oder besser gesagt nicht getan hat.“
Sierras Schweigen sagte alles.
„Geben Sie ihr eine Chance, Sierra.“
Erst jetzt sah sie ihn an. „Das tue ich. Ich bin den ganzen Weg von Florida hierhergefahren. Und ich bin bereit, ein ganzes Jahr auf Triple M zu bleiben.“
„Hätten Sie das auch getan, wenn es nicht um die Krankenversicherung ginge?“
Verdammt. Er war wirklich ein Anwalt. „Wahrscheinlich nicht“, räumte sie ein.
„Sie würden so ziemlich alles für Liam tun, oder?“
„Nicht nur so ziemlich“, erwiderte sie. „Sondern alles.“ „Und was ist mit Ihnen? Was würden Sie für Sierra tun?“ „Sprechen wir jetzt von mir in der dritten Person?“ „Lenken Sie nicht ab. Ich verstehe vollkommen, wie wichtig Ihnen Liam ist. Ich würde nur einfach gern wissen, was Sie jetzt tun würden, wenn Sie kein Kind hätten, vor allem keins mit einem medizinischen Problem.“
Sierra sah nach hinten, ob Liam auch wirklich schlief. „Sprechen Sie nicht über ihn, als ob er irgendwie nicht ... normal wäre.“
„Das tue ich nicht. Er ist ein toller Junge, und er wird einmal ein außergewöhnlicher Mann werden. Aber ich würde trotzdem gern hören, welche Träume Sie für sich selbst haben.“ Zu ihrer eigenen Überraschung kicherte sie ein wenig unsicher. „Nichts Besonderes. Ich möchte einfach irgendwie überleben.“
„Das klingt nicht nach einem tollen Leben. Weder für Sie noch für Liam.“
Unbehaglich wand sie sich auf ihrem Sitz.
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