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Winter der Zärtlichkeit

Winter der Zärtlichkeit

Titel: Winter der Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Miller
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ihn auf die Stirn zu küssen, dann kletterte sie aus dem Bett.
    Unfähig etwas zu tun, sah er ihr zu, wie sie ihre verstreuten Kleidungsstücke zusammensuchte und sich anzog. Er wünschte, er würde rauchen, dann hätte er jetzt etwas zu tun. Etwas, das ihn von dem schmerzhaften Gefühl ablenkte und von der Wut darüber, dass er es nicht einfach so abschütteln oder zumindest benennen konnte.
    „Vermutlich denkst du, ich mache so etwas ständig“, unterbrach sie seine Gedanken. Vielleicht war er nicht als Einziger verwirrt. Die Vorstellung weckte eine gewisse Hoffnung in ihm. „Aber das stimmt nicht. Ich schlafe nicht mit Männern, die ich kaum kenne, und ich ...“
    Travis lächelte. „Ich glaube dir, Sierra.“ Jede Frau, die regelmäßig mit dieser unglaublichen Leidenschaft Sex hatte, wäre entweder übermenschlich, würde an Erschöpfung sterben oder beides.
    Als sie angezogen war, setzte sie sich in vorsichtiger Entfernung zu ihm auf die Bettkante, um ihre Stiefel anzuziehen. „Travis?“ Dabei blickte sie ihn nicht an, aber er sah einen Schimmer auf ihrer Wange und dachte an einen Sonnenaufgang im Sommer.
    „Was ist?“
    „Es war gut. Was wir getan haben, war gut. Okay?“
    Er schluckte, nahm ihre Hand und drückte sie kurz. „Ja“, stimmte er zu, „es war gut.“
    Nachdem sie fort war, spürte er ihre Abwesenheit wie ein Vakuum. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf, legte sich zurück und begann, im Geiste eine Liste aufzustellen.
    Alles, was er noch erledigen musste, bevor er Triple M für immer verließ.
     
    Nebenan schloss Sierra die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Sie hatte sich total lächerlich gemacht.
    Was hatte sie sich eigentlich dabei gedacht, sich Travis derart an den Hals zu werfen? Sich wie eine Frau aufzuführen, die besessen ist ... und dazu auch noch bescheuert.
    Sierra McKettrick, die sexuelle Superheldin.
    Na klar.
    Sierra McKettrick, die bisher mit zwei Männern geschlafen hatte, von denen der eine sie geschwängert, belogen und hintergangen hatte. Sie schüttelte sich. Sie musste sich zusammenreißen, in wenigen Stunden musste sie Liam von der Schule abholen.
    Bestimmt würde er ihr alles erzählen wollen - über die anderen Kinder und die Lehrer. Und sie würde ihm ein Mittagessen kochen und sich um den Haushalt kümmern.
    Himmelherrgott noch mal, sie war eine Mutter, nicht irgendeine Tussi in einer billigen Seifenoper, die wie selbstverständlich vormittags in einen Wohnwagen schlich, um mit einem praktisch Fremden Sex zu haben.
    In Gedanken hörte sie ihre eigene Stimme.
    Es war gut. Was wir getan haben, war gut. Okay ?
    Das stimmte auch, wenn auch nicht im vornehmen Sinn dieses Wortes.
    Langsam ging sie nach oben, duschte lange, zog frische Jeans und eine weiße Baumwollbluse an. Sie lieh sich sogar einen von Megs Cardigans, um den Mutter-Look zu vervollkommnen.
    Danach blieb ihr immer noch über eine Stunde Zeit, bevor sie in die Stadt fahren musste.
    Sierras Blick wanderte zum Geschirrschrank. Warum sich denn nicht die Bilder im Fotoalbum ansehen und sich einen ungefähren Überblick über die McKettricks verschaffen, die vor ihr gelebt hatten? Sie wollte versuchen, sich vorzustellen, dass sie eine von ihnen war, ein Glied in der biologischen Kette.
    Gleichzeitig hörte sie, wie Travis’ Truck ansprang, und widerstand dem Wunsch, zum Fenster zu gehen und ihm nachzusehen, wie er davonfuhr. Das Risiko, dass sie zu einer verzweifelten Hausfrau mutieren und ihm lächelnd nachwinken würde, war zu groß.
    Aber das würde nicht geschehen!
    Sie richtete ihre Gedanken strikt auf ihr Vorhaben, nahm das Album heraus, trug es zum Tisch und setzte sich.
    Als sie den Deckel hob, entdeckte sie ein kleines blaues Buch, dessen Ecken sich mit den Jahren eingerollt hatten. Ein seltsamer Schauer durchfuhr sie wie eine Welle aus Eiswasser, eine Vorahnung, eine unbewusste Erkenntnis, die darum kämpfte, an die Oberfläche zu kommen.
    Sie öffnete vorsichtig das kleinere Buch, blätterte in den Seiten und starrte eine Weile auf die schön geschwungenen, mit Tinte geschriebenen Worte, die schon längst zu einem antiken Braun verblasst waren.
     
    Mein Name ist Hannah McKettrick. Heute ist der 19. Januar 1919.
    Ich weiß, dass du da bist, ich kann es spüren. Du hast die Teekanne bewegt und das Album, in das ich dieses kleine Erinnerungsbuch gelegt habe.
    Bitte tu meinem Jungen nichts. Sein Name ist Tobias.
    Er ist acht Jahre alt.
    Er bedeutet mir alles.
     
    Da stand noch

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