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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Abbuchung aus dem Café in West Hall geöffnet, war Katherine ins Auto gestiegen und Richtung Norden gefahren. Etwa fünfzig Meilen von Garys Unglücksstelle entfernt wurde sie fündig.
    West Hall war das Paradebeispiel einer neuenglischen Kleinstadt: drei Kirchtürme, ein Stadtzentrum mit einem Bibliotheksgebäude aus Granit, ein Grün mit Pavillon in der Mitte. Hinter dem Grün lag die West Hall Union School, wo sich kleine Kinder in Winterjacken und Mützen auf dem Schulhof Bälle zuwarfen und auf einem aufwendig konstruierten knallbunten Klettergerüst herumturnten. Sie dachte an Austin – wie gern er geklettert war und dass er keine Furcht gekannt hatte. Er war auf jedem Gerüst bis ganz nach oben gestiegen und hatte gerufen: »Ich bin der König der Berge!« Eine halbe Sekunde lang hatte sie den Eindruck, ihn dort sehen zu können: ein drahtiger Junge mit lockigem Haar ganz oben auf dem Gerüst. Sie blinzelte kurz, und als sie die Augen wieder öffnete, war es ein fremdes Kind.
    Sie folgte der Straße, die am Friedhof vorbeiführte. Er stand voller alter, windschiefer Grabsteine und war von einem rostigen schmiedeeisernen Zaun umgeben. Sie machte eine Schleife zurück in Richtung Stadtzentrum und entdeckte schließlich Lou Lous Café in der Main Street zwischen einem Buchladen und einer Bank, mit denen es sich ein großes Backsteingebäude teilte. Sie ging hinein, bestellte einen Kaffee und blickte durch das große Fenster auf die Straße hinaus. Dabei dachte sie: Genau denselben Blick hatte Gary bei seiner letzten Mahlzeit.
    Sie hatte freie Sicht auf das Grün und den frisch gestrichenen weißen Pavillon mit seinem patinierten Kupferdach. Es war ein heller wolkenloser Novembertag. Die Bäume, die das Grün säumten, waren kahl, doch als Gary hier gewesen war, hatten sie vielleicht in Rot und Gold geleuchtet und gerade ihr Laub abgeworfen, während sich irgendwo Sturmwolken zusammenbrauten.
    »Aber was wolltest du hier?«, fragte sie laut.
    Sie überflog die Preise auf der Speisekarte und kam zu dem Schluss, dass er sich mit jemandem getroffen haben musste – keins der Hauptgerichte kostete mehr als acht Dollar, und selbst wenn er sich ein Bier dazu bestellt hätte, wäre er mit einer Mahlzeit für eine Person nie auf einunddreißig Dollar gekommen.
    »Entschuldigen Sie«, sprach Katherine die Kellnerin an, als diese an ihr vorbeilief. »Ich wüsste gern, ob Sie mir vielleicht helfen können.« Sie holte das kleine Foto von Gary heraus, das sie in ihrem Portemonnaie aufbewahrte. »Erkennen Sie diesen Mann wieder? Er war letzten Monat hier.«
    Die Kellnerin, eine junge Frau mit blaugefärbten Ponyfransen und einem Yin-Yang-Tattoo auf dem Handrücken, schüttelte den Kopf. »Da müssen Sie schon Lou Lou fragen«, erklärte sie und deutete mit einem Kopfnicken zu der Frau hinter dem Tresen. »Die erinnert sich immer ziemlich gut an unsere Gäste.«
    Katherine bedankte sich, stand auf und trat auf die Cafébesitzerin Lou Lou zu, die üppig mit Schmuck aus Silber und Türkisen behängt war und kurze feuerrote Haare hatte.
    Lou Lou erkannte Gary sofort. »Ja, der war hier. Weiß nicht mehr genau, wann, ist aber noch nicht lange her.«
    »Hat er sich hier mit jemandem getroffen?«
    Lou Lou maß sie mit einem fragenden Blick, und Katherine war kurz davor, zu kapitulieren und ihr alles zu erzählen: Er war mein Mann, er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und wenige Stunden vor seinem Tod war er hier und hat ein Sandwich und eine Suppe gegessen oder was auch immer, ich habe noch nie zuvor in meinem Leben von diesem Ort gehört, warum war er hier, bitte, ich muss es wissen.
    Stattdessen stellte sie sich kerzengerade hin und sagte nur: »Bitte. Es ist sehr wichtig.«
    Lou Lou nickte. »Er war mit einer Frau hier. Ich kenne ihren Namen nicht, aber sie wohnt hier im Ort. Hab sie schon öfter gesehen. Mir fällt bloß nicht ein, wo.«
    »Wie sah sie aus?«
    War sie hübsch? Hübscher als ich?
    Lou Lou überlegte einen Moment. »Schon älter. Lange graue Haare, zu einem Zopf geflochten. Wie gesagt, ich hab sie schon mal gesehen. Von irgendwoher kenne ich sie. Ich vergesse nie ein Gesicht.«
    Katherine saß fast zwei Stunden lang bei Lou Lou. Sie trank Kaffee, aß eine Suppe und ein Sandwich und hinterher noch ein Stückchen Roten Samtkuchen. Die ganze Zeit über fragte sie sich, was Gary wohl gegessen, an welchem Tisch er gesessen hatte. Sie fühlte sich ihm nahe, als säße er neben ihr und ließe sie beim

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