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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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arbeiten?«
    »Nächsten Montag, aber ich habe noch mehr freie Tage, die ich nehmen kann.«
    Wisting öffnete die Haustür.
    »Ruf einfach an, wenn irgendwas ist«, sagte er und beendete das Gespräch.
    Suzanne kam ihm im Flur entgegen. »War das Line?«
    »Ja.«
    »Ich habe gerade vorhin mit ihr telefoniert. Wir haben uns gut unterhalten, aber ich habe das Gefühl, sie ist mir gegenüber irgendwie ein bisschen reserviert. Ich glaube, sie vermisst ihre Mutter.«
    Wisting atmete tief aus. Er vermisste Ingrid auch, aber er sagte es nicht. Stattdessen gab er Suzanne einen Kuss und flüsterte: »Ich bin froh, dass ich dich habe.«
    In seinem Leben war Platz für zwei Frauen, wie er herausgefunden hatte. Die beiden waren nicht vergleichbar und die Liebe zu der einen Frau überschnitt sich gewissermaßen mit seiner Liebe zu der anderen. Aber als Mutter seiner Kinder würde Ingrid immer die wichtigste Frau in seinem Leben bleiben.
    Sie setzten sich ins Wohnzimmer.
    Suzanne hatte gelesen, auf dem Tisch lag ein aufgeschlagenes Buch mit dem Rücken nach oben. Es war eins von Ingrids Büchern, das im Bücherregal im Obergeschoss gestanden hatte.
    »Wie kommt ihr mit eurem Fall voran?«, erkundigte sich Suzanne.
    Wisting zuckte die Schultern. »Ich glaube, bis zu einem Durchbruch ist es noch weit. Aber man kann nie wissen. Manchmal passiert plötzlich etwas und sorgt dafür, dass die Dinge Fahrt aufnehmen.«
    Suzanne zog die Füße aufs Sofa und unter den Po. »Hast du keine Angst?«, fragte sie.
    »Wovor?«
    »Vor all dem Unbekannten. Dem, was du nicht weißt, was aber trotzdem da ist und auf dich wartet.«
    Wisting zog die Schultern hoch und überlegte. Das war etwas, was er besonders an Suzanne mochte. Ihre Neugier.
    »Das schreckt mich nicht«, antwortete er. »Ich glaube, eher im Gegenteil. Das Nichtwissen ist es, was mich antreibt.«
    Es sah aus, als wäre Suzanne in Gedanken versunken. Wisting hatte keine Energie mehr für tiefsinnige Gespräche und wechselte das Thema.
    »Woran hast du gedacht?«, fragte er.
    »Wann denn?«
    »Als du Blätter geharkt hast. Du sagtest, es sei so schön, die Gedanken schweifen zu lassen.«
    Sie lachte, als wäre es ihr peinlich, ihre Gedanken mit ihm zu teilen. »Ich habe mir einen Namen ausgedacht«, erwiderte sie.
    Wisting verstand nicht gleich, was sie meinte, aber dann ging ihm ein Licht auf. Erst einen Tag zuvor hatten sie hier zusammengesessen und Suzanne hatte davon gesprochen, ihren Bürojob aufzugeben und ein Kunstcafé zu eröffnen.
    »Für das Café?«
    Sie nickte.
    »Lass mal hören!«
    Sie zögerte ein bisschen. »Der goldene Frieden.«
    Wisting ließ den Namen in sich nachklingen. »Passt gut für ein Kunstcafé«, sagte er schließlich. »Wann wird es eröffnet?«
    »Daraus wird wohl nichts.«
    »Was hindert dich daran? Hast du Angst vor dem Unbekannten?«
    »Vielleicht. Auf jeden Fall vor der Unsicherheit. Die Gastronomie ist ja nicht gerade eine sichere Branche. Es ist sicherer, als Sachbearbeiterin in einem Büro zu arbeiten, mit festem Gehalt.«
    Wisting sah sie an. Es war schwer zu verstehen, dass solche Unsicherheitsfaktoren sie hemmten. Sie hatte den Krieg erlebt und war in ein fremdes Land geflohen. Durch Ausbildung und Beruf hatte sie neue Herausforderungen gesucht. Davon hatte es jede Menge gegeben und nur selten hatte sie von vornherein eine Lösung gewusst.
    »Wo wären wir, wenn wir wüssten, was alles auf uns zukommt?«, fragte er. »Dann wäre doch nichts mehr da. Hoffnung, Glaube, Träume, all das wäre nichts mehr wert. Ich finde, du solltest es tun. Ich stelle mir das toll vor, meinen eigenen Stammtisch zu haben.«
    Lachfältchen breiteten sich über ihr Gesicht aus. »Ich denke, wir gehen jetzt zu Bett«, lachte sie und erhob sich.
    Wisting folgte ihr und ging ins Bad. Zehn Minuten später sank er in die Kissen. Und dann lag er da und dachte voller Unruhe daran, was der nächste Tag wohl bringen mochte.

20
    Der graue Himmel hing tief, mit Regenschleiern und windzerfetzten Wolken. Line schlug die Haustür hinter sich zu. Normalerweise stand sie nicht so früh auf, jedenfalls nicht an einem freien Tag. Aber sie war vor einer Stunde aufgewacht und hatte nicht wieder einschlafen können.
    Sie schlang den Schal um den Jackenkragen und hielt das Gesicht in den Wind. Dann ging sie die Verandastufen hinunter und folgte dem Strandweg.
    Der Wind war im Laufe der Nacht aufgefrischt. Der Nebel hatte sich vollkommen aufgelöst, aber Regen lag in der Luft.
    Am Abend

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