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Wintergeister

Wintergeister

Titel: Wintergeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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fürchtete, ich würde ohnmächtig werden. Meine Handflächen waren klamm, meine Brust war wie zugeschnürt. Ich beugte mich vor, senkte den Kopf, stützte die Ellbogen auf die Knie.
    »Freddie?«, sagte Fabrissa. Ich hörte die Besorgnis in ihrer Stimme und liebte sie dafür.
    »Alles in Ordnung.«
    »Freddie«, flüsterte sie, »hab keine Angst!«
    »Angst. Ich hab doch keine A…«
    Ich riss den Kopf hoch, und Farben tanzten mir vor den Augen. Hörte Fabrissas Wiegenliedstimme meinen Namen sagen. Und diesmal wusste ich ohne den leisesten Zweifel, dass ich während des Schneesturms ihre Stimme gehört hatte. »Aber wie?«, murmelte ich. »Wie?«
    Ich blickte sie in stummer Verwirrung an, sah meine eigene Qual in ihrem Gesicht widergespiegelt. Ich war auf einmal so müde. Das Reden hatte mich erschöpft, und ich merkte, dass mir eiskalt war.
    Auch Fabrissa schien zu ermüden. Sie bewegte sich nicht, aber sie strahlte eine Unruhe aus, als hätte sie schon zu lange verweilt. Ich konnte spüren, wie sie mir entglitt, und sosehr ich mir auch wünschte, sie möge bei mir bleiben, so fühlte ich mich doch außerstande, sie aufzuhalten.
    »Es ist Morgen«, sagte ich und blickte hinunter auf das erwachende Dorf. »Ich sollte dich nach Hause bringen.«
    Schweiß perlte mir zwischen den Schulterblättern, obwohl ich so durchgefroren war, dass ich schlotterte. Ich wollte aufstehen, schaffte es aber nicht. Ich hob matt eine Hand an die Stirn. Meine Haut fühlte sich heiß an.
    »Kann ich dich bald wiedersehen?« Ich stolperte über meine eigenen Worte. »Heute Nachmittag vielleicht? Ich …«
    Sprach ich überhaupt laut oder nur im Kopf?
    Wieder versuchte ich aufzustehen, doch die Knie knickten mir ein. Ich fiel zurück auf unsere behelfsmäßige Bank, spürte, wie sich mir die Wülste der Rinde in die Haut drückten.
    »Fabrissa …«
    Ich vermochte kaum, den Kopf hochzuhalten. Ich wollte mich befreien, dem Gefängnis meiner Erinnerungen entfliehen.
    »Ich muss … dich … nach Hause bringen«, wiederholte ich, aber es kam ganz falsch heraus. Ich versuchte, mich auf Fabrissas Gesicht zu konzentrieren, auf ihre grauen Augen, aber jetzt waren da zwei Frauen, und das Bild war mal klar, mal verschwommen. Ich wollte erneut ihren Namen aussprechen, doch das Wort wurde zu Asche in meinem Mund.
    »Finde mich!«, flüsterte sie. »Finde uns! Dann kannst du mich nach Hause bringen.«
    »Fabr…«
    Verließ sie mich, oder verließ ich sie? Mein Herz zog sich zusammen.
    »Geh nicht!«, stammelte ich. »Bitte. Fabrissa!«
    Aber sie war schon zu weit entfernt. Ich konnte sie nicht erreichen.
    »Komm und finde mich!«, flüsterte sie. »Finde mich, Freddie!«
    Dann nichts. Nur die grauenhafte Gewissheit, dass ich wieder allein war.

Das Fieber wütet
    »
M
onsieur Watson, s’il vous plaît.«
    Irgendwer rief meinen Namen. Eine Hand rüttelte mich an der Schulter. Aber ich wollte nicht aufwachen.
    »Fabrissa …«
    »Monsieur Watson!«
    Mein ganzer Körper schmerzte. Alles an mir war wie erstarrt, und ich hatte das Gefühl, dass sämtliche Knochen auf meiner linken Seite – Rippen, Hüftknochen, Kniegelenk – unangenehm auf den harten Boden drückten. Ich fuhr mit dem rechten Arm im Bogen um mich herum und spürte Staub und hölzerne Dielenbretter unter der Hand.
    Ich versuchte hochzukommen, aber die Welt trudelte von mir weg, und ich sackte wieder zusammen. Wo war ich? Dann dieselbe Stimme, ein wenig lauter. Forsch, keinen Widerspruch duldend, wie die Krankenpflegerinnen im Sanatorium.
    »Monsieur, s’il vous plaît, vous devez vous lever.«
    »Fabrissa?«, murmelte ich ein weiteres Mal.
    Wieder die Hand auf meiner Schulter, kräftige Finger, die fest zudrückten.
    Warum weckten sie mich? Ich brauchte ihre Pillen nicht. Ich wollte nicht aufwachen.
    »Lasst mich in Ruhe!«, knurrte ich und versuchte, mich wegzudrehen.
    »Sie müssen aufstehen, Monsieur. Es ist nicht gut für Sie, hier zu liegen.«
    Die Frau wollte sich nicht abwimmeln lassen. Ich zwang mich, die Augen zu öffnen. Statt der weiß gestärkten Trachten und schwarzen Schuhe der Stationsschwestern sah ich ein Paar Holzpantinen.
    Madame Galy. Nicht das Sanatorium, sondern die Pension in Nulle. Und aus irgendeinem Grund, den ich mir im Moment nicht erklären konnte, lag ich auf dem Boden. Ich hievte mich mühsam in eine sitzende Position, streckte meine angewinkelten Beine aus und versuchte aufzustehen.
    »Lassen Sie mich Ihnen helfen, Monsieur!« Madame Galys starke

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