Winterjournal (German Edition)
. In Nahaufnahmen sieht man nacheinander den Saxophonisten, den Pianisten, den Trompeter, den Bassisten und den Drummer ihre Instrumente bearbeiten, dazwischen wilde Reaktionen des Publikums, und Bigelow, stürmisch bedrängt von Sue, sitzt mit seinen neuen Freunden an einem Tisch. Er macht einen verzagten Eindruck, er hat die Nase voll, er sehnt sich fort von Sue und dieser Lärmattacke, und auch Haskell scheint bedrückt und sieht schweigend zu, wie seine Frau sich dem Fremden aus dem Hotel an den Hals wirft. Irgendwann erfasst die Kamera einen Mann, der von hinten in den Club kommt, der Mann ist groß und trägt einen Hut und einen Mantel mit hochgeschlagenem Kragen, einem eigenartigen, ganz und gar sonderbaren Kragen mit schwarz-weißem Karomuster auf der Rückseite. Der Mann nähert sich der Theke, und etwas später gelingt es Bigelow endlich, sich von Sue und ihren Kumpanen loszumachen. Auch er geht an die Theke, wo er einen Bourbon bestellt, ohne zu ahnen, dass der Mann mit dem sonderbaren Kragen ihm gleich Gift in seinen Drink schütten und dass er, Bigelow, binnen vierundzwanzig Stunden tot sein wird.
Am anderen Ende der Theke sitzt eine elegante Frau, und während Bigelow auf seinen Drink wartet, fragt er den Barkeeper, ob die Blonde alleine da ist. Die Blonde erweist sich als Jeanie, eine reiche Frau, die auf Jive steht, in Clubs herumhängt und Wörter wie
dig
und
easy
benutzt. Bigelow rutscht zu ihr rüber, sein Drink ist inzwischen eingeschenkt und wartet auf seinem alten Platz am anderen Ende der Theke, und in den wenigen Sekunden, die er das Glas aus den Augen verliert, führt der Mann mit dem sonderbaren Kragen seinen mörderischen Auftrag aus, schüttelt flink ein paar Tropfen von dem Gifttrank hinein und verschwindet von der Bildfläche. Während Bigelow mit der mondänen Jeanie plaudert, einer reservierten Jazzfanatikerin, die ebenso kühl wie freundlich wirkt, reicht ihm der Barkeeper seinen jetzt manipulierten, tödlichen Drink. Bigelow nimmt einen Schluck, und sogleich zeigt sich in seiner Miene Überraschung, Ekel. Ein zweiter Schluck führt zu demselben Ergebnis. Er schiebt das Glas weg und sagt zu dem Barkeeper: «Das ist nicht meins. Ich habe Bourbon bestellt. Geben Sie mir was anderes.»
Unterdessen ist Sue aufgestanden und sieht sich in der Bar nach Bigelow um, sie wirkt nervös, unruhig, verwirrt ob seines Ausbleibens. Bigelow erblickt sie, schwingt sich herum und lädt Jeanie ein, ihn irgendwo anders hin zu begleiten. Hier seien Leute, denen er aus dem Weg gehen wolle, sagt er, bestimmt gebe es in San Francisco noch andere interessante Lokale. Ja, sagt Jeanie, aber sie wolle noch eine Weile im Fisherman bleiben. Sie könnten sich später treffen, wenn sie die nächste Station des Abends aufsuche, und dann schreibt sie ihm eine Telefonnummer auf ein Stück Papier und sagt, dort solle er sie in einer Stunde anrufen.
Bigelow geht ins Hotel zurück, nimmt den Zettel mit Jeanies Nummer und greift zum Telefonhörer, doch bevor er anruft, blickt er auf und bemerkt, dass in seinem Zimmer ein Blumenstrauß abgegeben wurde. An dem Einwickelpapier ist ein Kärtchen von Paula befestigt, und darauf steht:
Ich lasse ein Licht im Fenster brennen. Träum was Schönes
. Bigelow ist ernüchtert. Statt noch einmal in die Nacht hinauszugehen und Frauen hinterherzulaufen, zerreißt er Jeanies Nummer und wirft sie in den Papierkorb, und gleich darauf tritt die Geschichte in ein neues Stadium, die eigentliche Geschichte beginnt.
Das Gift zeigt bereits Wirkung. Bigelow hat Kopfschmerzen, aber er nimmt an, er habe zu viel getrunken, er müsse nur seinen Rausch ausschlafen, dann werde es ihm besser gehen. Er legt sich ins Bett, und das Zimmer füllt sich mit seltsamen, wirren Geräuschen, Gesang einer fernen Frauenstimme, Erinnerungsfetzen aus dem Jazzclub, Anzeichen zunehmender körperlicher Beschwerden. Beim Aufwachen am nächsten Morgen hat sich sein Zustand nicht gebessert. Noch immer der Meinung, er habe zu viel getrunken und sei verkatert, ruft er den Zimmerservice an und bestellt einen Muntermacher, eins dieser scharfen, belebenden Hausmittelchen mit viel Meerrettich und Worcestersauce, die einen angeblich auf der Stelle nüchtern machen, doch als der Kellner ihm das Gebräu bringt, schreckt Bigelow davor zurück, schon von dem Anblick wird ihm schlecht, und er bittet den Kellner, es wieder mitzunehmen. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Bigelow hält sich krampfhaft den Bauch, scheint benommen und
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