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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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kürzerzutreten. Wir wollten mehr Zeit für uns haben. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, du liebst deinen Job mehr als mich.« Er bemühte sich um einen positiven Tonfall. »Hey, wie wär’s, wenn du Schluss für heute machst und wir uns in der kleinen Bar gegenüber einen Nightcap gönnen. Die haben exotische Cocktails, die trinkst du doch so gern, oder?«
    Sie trat etwas zur Seite. Sergeant Dexter brauchte nicht jedes Wort mitzuhören. »Im Urlaub auf Hawaii, ja.« Sie merkte, dass sie schnippisch klang, und wurde sanfter: »Hör zu, Harry. Ich geh gern einen mit dir trinken, wenn’s sein muss, sogar einen exotischen Cocktail. Aber heute Nacht haben wir mehrere Großfahndungen laufen und ich kann nicht weg. Wenn du mich heiraten willst, musst du dich daran gewöhnen, dass ich beruflich eingespannt bin. Ich melde mich morgen bei dir, okay? Wenn ich ausgeschlafen habe.«
    »Und nicht ein Mord dazwischenkommt.« Er klang beleidigt. »Sei mir nicht böse, aber ich hab mir das alles ganz anders vorgestellt.«
    »Ich habe einen Mord aufzuklären, Harry. Bis morgen, okay?« Sie legte auf und kehrte zu Sergeant Dexter zurück.
    »Ärger?«, fragte er.
    »Mein Verlobter«, antwortete sie, als würde das alles erklären. Sie deutete auf seinen Kaffeebecher. »Ich glaube, jetzt könnte ich doch einen vertragen.«
    Sarah vergaß ihre Schmerzen. Beim Anblick der Killer rannte sie sofort los, dicht vor einem Taxi über die Michigan Avenue auf den breiten Bürgersteig. An den vergitterten Schaufenstern eines großen Andenkenladens vorbeistürmte sie zur nächsten Seitenstraße. Nur einen kurzen Moment dachte sie daran, in einem der großen Hotels unterzutauchen. Zu gefährlich. Die Männer würden auch dort Mittel und Wege finden, sie zu erledigen.
    Ein flüchtiger Blick über die Schulter zeigte ihr, dass auch ihre Verfolger keine Zeit verloren. Mit röhrendem Motor wendeten sie den Lexus und folgten ihr. Schneematsch spritzte unter den Rädern hervor und erwischte den Pförtner eines Hotels. Seine Schimpftiraden verfolgten sie bis in den Loop hinein.
    Die Monroe Street war eine Einbahnstraße. Kein Problem für die Killer, die wenige Schritte hinter Sarah um die Ecke schlitterten und sie beinahe über den Haufen fuhren. Sie schlug einen Haken, rannte hinter dem Wagen über die Straße und hatte Glück, dass ihr ein Taxifahrer entgegenkam und gerade noch rechtzeitig auf die Bremse trat. Sein Wagen geriet ins Schleudern und stellte sich quer. Der Fahrer, leider nicht Ethan, ließ das Fenster herunter und schimpfte, schwang wütend eine Faust, als der Lexus mit aufgeblendeten Scheinwerfern an ihm vorbeifuhr, und rief: »Sie haben wohl Tomaten auf den Augen! Das ist ’ne Einbahnstraße!«
    Der kleine Zwischenfall verschaffte Sarah ein paar wertvolle Sekunden. An der dunklen Front eines Geschäftshauses vorbei rannte sie weiter. Der Blizzard fegte durch die Häuserschluchten und wirbelte den Schnee auf, der knöcheltief auf dem Asphalt lag. Wie eine arktische Wüste wirkte die Innenstadt. Frostiger Nebel hing zwischen den Wolkenkratzern, die wie die Felswände eines gigantischen Canyons zu beiden Seiten der Straße emporragten. Die erleuchteten Fenster, weniger als am frühen Abend, und die Lichter der Straßenlampen und Ampeln waren helle Flecken in dem trüben Dunkel.
    Sie rannte nach links in die Wabash Avenue, hörte bereits das Heulen des Motors. Gleich würde der Lexus um die Ecke biegen. Verzweifelt rüttelte sie an einer Ladentür. Sie war fest verschlossen. Auch die nächste und übernächste Tür boten ihr keinen Fluchtweg. Sie blickte sich um und sah den Lexus kommen. Ausgerechnet jetzt waren keine Cops in der Nähe, niemand hielt die Killer auf, als sie in der verkehrten Richtung aus der Einbahnstraße fuhren. Nirgendwo war Rettung in Sicht.
    Sie drehte an einem Türknopf, wieder vergeblich, hämmerte gegen ein Schaufenster, in dem Licht brannte, und hörte wütendes Hundebellen. Der Lexus kam immer näher. Wenn die nächste oder übernächste Tür nicht aufging, war sie erledigt. »Bitte, lieber Gott, lass sie aufgehen!«, flüsterte sie in panischer Angst, als sie die Tür eines Wohnhauses erreichte. »Kitche Manitu, bitte hilf !«
    Die Götter hatten ein Einsehen mit ihr. Die Tür ließ sich öffnen. Sie drückte sie nach innen und stürmte in den Flur, wollte die Aufzugstür öffnen, doch sie riss vergeblich daran. Durch das Fenster in der Tür sah sie, wie der Lexus auf den Gehsteig fuhr. Schneematsch

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