Winterkrieger
sie alle so angespannt ihre Bewegungen kantig, die Augen verängstigt. Nein, nicht alle, dachte sie, als ihr Blick auf den schwarzen Krieger fiel. In diesen seltsamen blauen Augen lag keine Furcht Dagorian ritt schweigend neben dem Karren her und drehte sich gelegentlich im Sattel um, um nach Verfolgern Ausschau zu halten. Er konnte wenig sehen, denn sie waren jetzt tief im Wald, und der Pfad schlängelte sich durch die Bäume. Trotzdem sah er sich um. Die anderen drei ritten ebenfalls, ohne zu reden. Zweimal verließ der schwarze Mann die Gruppe und ritt auf seinem riesigen Wallach ein Stück zurück. Die beiden anderen ritten zu beiden Seiten des Karrens und fielen nur zurück, wenn der Pfad zu schmal wurde.
Axiana erinnerte sich an den Bogenschützen Kebra. Er war es, der das Turnier verloren und Skanda so erzürnt hatte. Und der andere Bursche – Kebra nannte ihn Bison – war ein stämmiges Raubein mit einem herabhängenden weißen Schnurrbart.
Die Königin war niemals zuvor in einem Wald gewesen. Ihr Vater hatte oft hier gejagt. Er hatte Löwen und Bären, Hirsche und Elche erlegt. Sie erinnerte sich, dass. sie die Trophäen von ihrem Fenster aus gesehen hatte. Die Kadaver hatten so traurig ausgesehen, wie sie hinten auf dem Karren lagen.
Bären und Löwen.
Der Gedanke machte ihr keine Angst. Alle Angst war jetzt von ihr abgefallen. Sie schwebte auf einer Welle der Harmonie und lebte den Augenblick.
»Wie fühlst du dich?« fragte Ulmenetha und legte ihre Hand auf den Arm der Königin. Axiana blickte auf die Hand hinunter. Es war eine Unverschämtheit, sie zu berühren, doch sie fühlte keinen Ärger.
»Es geht mir gut.« Die Sonne brach durch die Wolken und schien durch eine Lücke in den Bäumen voraus. Schräge Strahlen aus Gold erhellten den Pfad. »Wie hübsch«, sagte Axiana träumerisch. Sie sah die Besorgnis in Ulmenethas Augen, verstand sie aber nicht. »Wir sollten in die Stadt zurückkehren«, sagte sie. »Es wird bald dunkel werden.«
Ulmenetha antwortete nicht sondern rückte näher und zog sie an sich. Sie legte ihren Kopf an Ulmenethas Schulter. »Ich bin sehr müde.«
»Ruh dich aus, Täubchen. Ulmenetha passt auf dich auf.«
Axiana sah die fünf Pferde, die hinten an dem Wagen angebunden waren, und ihr Körper spannte sich. Ulmenetha hielt sie fest. »Was ist los?« fragte die Priesterin.
»Diese Pferde … wo haben wir sie her?«
»Wir haben sie von den Soldaten, die uns angriffen.«
»Das war doch nur ein Traum«, sagte Axiana. »Kein Soldat würde mich angreifen. Ich bin die Königin. Kein Soldat würde mich angreifen. Niemand würde mich einsperren. Es gibt keine wandelnden Toten. Das ist alles nur ein Traum.« Sie begann zu zittern und fühlte, wie Ulmenethas Hand ihr Gesicht berührte. Dankbar versank sie in Dunkelheit.
Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie die Sterne am Himmel leuchten. Sie gähnte. »Ich habe geträumt ich wäre in Morec«, sagte sie und setzte sich. »Ich bin dort aufgewachsen. In dem Frühlingspalast der auf die Bucht hinaussieht. Ich habe dort immer die Delphine beobachtet.«
»War es ein schöner Traum?«
»Ja.« Axiana blickte sich um. Zwischen den Bäumen lagen jetzt tiefe Schatten, und die Temperatur sank. Hier und dort, in geschützten Mulden, lag noch immer etwas Schnee. »Wo sind wir?«
»Ich weiß nicht genau«, antwortete Ulmenetha. »Aber wir werden bald unser Lager aufschlagen.«
»Lager? Wir werden lagern?«
»Ja.«
»Gibt es denn kein Haus in der Nähe?«
»Nein«, sagte Ulmenetha leise. »Kein Haus. Aber wir werden sicher sein.«
»Vor Bären und Löwen«, erklärte Axiana in dem Versuch, autoritär zu wirken.
»Jawohl, Hoheit.«
Dagorian ritt neben den Wagen und kletterte auf den Kutschbock. »Festhalten«, sagte er und nahm Conalin die Zügel aus der Hand. »Wir verlassen den Pfad.« Der Karren rumpelte nach rechts einen leichten Hang hinunter. Ulmenetha hielt Axiana fest Dagorian fuhr den Karren zu einem flachen Bach. Kebra und Bison ritten durch den Bach zu dem schwarzen Mann, der sie bereits erwartete. Vor einer Felswand brannte ein Feuer. Die erschöpften Pferde planschten in den Bach, und Dagorian ließ zweimal die Peitsche knallen, als der Karren langsam die Furt durchquerte. Auf der anderen Seite wendete er und zog die Bremse an.
Ulmenetha half der Königin beim Aussteigen und führte sie zum Feuer. Hier lagen flache Steine, und Axiana setzte sich auf einen davon. Kebra zündete ein zweites Feuer an und begann,
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