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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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hellblauen Augen drängte sich nach vorn und blickte Sir Topher erwartungsvoll an, als müsse dieser ihn wiedererkennen.
    „Christopher aus dem Tiefland?“ Sir Topher zitterte am ganzen Leib, als er seinen Landsmann umarmte. Es hatte den Anschein, als würden nach und nach all e – Männer, Frauen und Kinde r – aus ihren Unterschlupfen kommen, so groß war das Gedränge.
    „Das ist Micah, ein Bauer aus dem Dorf Sennington“, stellte Sir Topher einen Mann vor.
    Finnikin warf seinem Vater einen Blick zu. Sennington war der Heimatort von Lady Beatriss.
    „Wer ist euer Anführer?“, wollte Trevanion wissen.
    „Wir haben keinen“, sagte der alte Mann.
    „Dann benennt einen und bringt ihn her.“
    Auf dem Streifen Land zwischen den Zelten und dem Fieberlager stand die Zeltbaracke des Priesterkönigs. Dort trat eine Frau auf sie zu mit einem kleinen Kind, das sie Evanjalin in die Arme legte. Finnikin zog Evanjalin an sich, weg von der fiebergeschüttelten Frau.
    „Du kannst hier nichts tun“, sagte er bestimmt.
    Evanjalin schüttelte seine Hand ab. „Zu glauben, dass man nichts tun könne, widerspricht dem Gebot der Menschlichkeit“, sagte sie und ging mit der Mutter und dem Kind weg.
    Im Zelt des Priesterkönigs sah Finnikin zu, wie Trevanion und Sir Topher sich feierlich verbeugten und die Hand des heiligen Mannes küssten, was diesen zu beschämen schien. Der alte Bauer aus dem Tiefland betrat zögernd mit zwei Männern und einer Frau das Zelt, ihre scheuen Blicke gingen fragend zwischen dem Priesterkönig und den anderen hin und her.
    „Ihr müsst eure Leute vom Fieberlager fernhalten“, wies Trevanion sie an. „Ein schmaler Streifen Land ist nicht genug, ihr müsst die Gesunden von hier wegbringen, und zwar sofort.“
    „Und wohin?“, fragte die Frau. „Wir sind zu viele. Jedes Mal wenn wir aufbrechen wollten, wurden wir mit Waffengewalt daran gehindert. In diesem hintersten Winkel der Hölle behelligt man uns wenigstens nicht.“
    „Um hier rauszukommen, brauchen wir den Schutz der Königlichen Garde“, warf der ältere Mann kühn ein.
    „Könnt Ihr uns diesen Schutz gewähren?“, fügte der Jüngere hinzu.
    Finnikin sah seinen Vater an. Trevanion hatte noch kein Wort über seine Getreuen verloren, aber Finnikin war sich sicher, dass seine Gedanken um die Frage kreisten, wie er sie aufspüren konnte.
    Trevanion schüttelte den Kopf. „Im Augenblick nicht. Das ändert aber nichts daran, dass ihr wegmüsst. Haltet euch immer an den Flusslauf, entlang der Grenze zu Charyn und Osteria, bis ihr nach Belegonia gelangt. Dort werdet ihr unter dem Schutz von Lord Augustin aus dem Tiefland stehen.“
    „Wir können nich t …“
    „Hier seid ihr für immer verloren“, wehrte Trevanion alle Einwände ab. „Geht nach Belegonia, dort wird man sich um euch kümmern. Das verspreche ich euch.“
    Er und Sir Topher verließen zusammen mit den vier Vertriebenen das Zelt, während Finnikin allein mit dem Priesterkönig zurückblieb.
    „Mach nicht den Fehler, das Mädchen zu unterschätzen“, sagte der Priesterkönig plötzlich.
    Finnikin lachte humorlos. „Ich befinde mich in der Gesellschaft des Obersten Ratgebers, des Hauptmanns der Königlichen Garde und des Priesterkönigs von Lumatere, den drei einflussreichsten Personen des Landes. Sie allein hat diese drei zusammengebracht. Wie kommt Ihr darauf, ich könnte sie unterschätzen?“
    „Du verfolgst andere Ziele als sie“, sagte der Priesterkönig.
    „Und wie steht Ihr dazu?“, fragte Finnikin.
    „Das ist völlig ohne Belang.“
    „Ihr seid der Priesterkönig“, wandte Finnikin ein. „Eure Aufgabe ist es zu führen.“
    „Erwartest du wirklich noch irgendetwas von mir?“, sagte der heilige Mann bitter. „Und das, obwohl ich dem Thronräuber meinen Segen gab, als er vor den Toren von Lumatere stand? Ich tat es sogar in dem Wissen, dass das Blut unserer geliebten Königsfamilie an seinen Händen klebte. Weißt du, wo ich war, als die fünf Waldbewohner auf dem Scheiterhaufen verbrannten? Ich hatte mich im Tal der Stille in Sicherheit gebracht, statt den Verfolgten Schutz in meinem Haus zu gewähren. Ich hatte die Macht einzuschreiten, aber ich ließ mich stattdessen von meiner Angst leiten.“
    „Lord Augustin meint, dass Ihr an Todessehnsucht leidet und deshalb von einem Fieberlager zum anderen wandert“, sagte Finnikin. „Aber die Göttin hat Euch mit einem Fluch geschlagen, verehrungswürdiger Barakah, und lässt Euch nicht

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