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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Sie etwas gefunden?«, mischte sich Liebler ein.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Das Register existiert nicht mehr. Es ging im Krieg oder danach verloren.« Conradi schaute auf die Uhr.
    »Woher wissen Sie das?«, wollte Myriam wissen.
    »Ich bin Notar. Ich weiß, wo ich suchen muss.«
    »Auf dem Standesamt?«
    »Nein, im Institut für Stadtgeschichte.«
    »Seit wann wird ein Geburtenregister im Museum aufbewahrt?«, wunderte sich Liebler. »Ist das nicht eine Sache für das Standesamt?«
    »In diesem Fall gehörte es zu einem Krankenhaus.«
    »Welchem Krankenhaus?«
    »Eigentlich nur einer Krankenstation. Sie gehörte zum Lager in Kelsterbach.«
    »Welches Lager?« Myriam hatte das Gefühl, dass die Sache immer seltsamer wurde.
    »Das Lager für Zwangsarbeiter.«
    »Zwangsarbeiter?«
    »Ja.« Erneut schaute Conradi auf seine Uhr. »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Ich muss gehen. Mein nächster Termin wartet.«
    Er nickte Liebler zu und ignorierte Myriam, die ihm schon fast hatte danken wollen, dass er sich am Ende dennoch kooperativ gezeigt hatte. Sie folgte Liebler zur Tür, der sich plötzlich umdrehte und quer über den Flur rief: »Wissen Sie noch das Datum? Das Geburtsdatum des Kindes?«

19
    Es war bereits später Nachmittag, als Henri Liebler den Wagen in der Münzgasse direkt vor dem Institut für Stadtgeschichte parkte. Während sie zusammen die Treppe hocheilten, stellte Myriam fest, dass die Wut auf Conradi noch immer in ihr brannte.
    »Ich bin sicher«, sagte sie, »dass die Unterlagen, die Henriette Winkler beim Notar hinterlegt hat, uns weiterhelfen würden. Und dieser Idiot beruft sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.«
    »Gesetz ist Gesetz«, antwortete Liebler und zog mit aller Kraft das schwere Portal auf.
    Dr. Westhof, ein nervöser Mann um die vierzig, der ständig seine Taschen abklopfte, als ob er etwas verloren hätte, kam ihnen bereits im Foyer entgegen. »Gehen wir in mein Büro. Ich habe schon alles vorbereitet.«
    Sie folgten ihm die Treppen hoch. Auf dem Computerbildschirm im Büro wurde bereits ein Stadtplan angezeigt.
    »Das hier ist der Stadtplan aus dem Jahr 1943«, erklärte Westhof. »Die Kästchen kennzeichnen die Lager, die es in der Stadt gab. Blau sind alle Sammellager, in denen Zwangsarbeiter verschiedener Nationen und Unternehmen zusammengefasst wurden, gelb steht für eigene Firmenlager, grün sind alle sonstigen Lager, zum Beispiel für Kriegsgefangene.«
    »Die waren ja überall.« Myriam konnte es nicht glauben.
    Die Karte war voller Punkte. Überall leuchtete es blau, gelb und grün. Sie überzogen das gesamte Stadtgebiet schlimmer als jetzt die Mc-Donald’s-Filialen.
    Dr. Westhof nickte. »Und das hier ist lediglich eine Auswahl. Die eigentliche Liste umfasst mehrere hundert Einträge.«
    »Mehrere hundert? Sie meinen, es gab mehrere hundert Lager mitten in der Stadt? Mitten in Frankfurt?«
    »Ja, natürlich, wussten Sie das nicht? Klicken Sie einen der Punkte an, dann sehen Sie die Adresse.«
    Myriam fuhr mit der Maus über den Stadtplan. Altbekannte Adressen erschienen mit dem Namen des entsprechenden Lagers: Eschersheimer Landstraße 20, Rathenauplatz 3, das Lager der Stadt Frankfurt, das Lager der Reichsbahn. Alle Plätze, Straßen, Ämter, Firmen waren ihr bekannt, sie war mit ihren Namen aufgewachsen.
    »Was ist mit der Firma Winklerbau? Haben die Zwangsarbeiter beschäftigt?« Liebler saß konzentriert vor dem Bildschirm und wunderte sich wie immer über nichts.
    »Das können wir nachprüfen.«
    Eine Suchmaske erschien. Dr. Westhof trug den Namen
Winkle
r ein.
    Keine Einträge.
    »Fehlanzeige.«
    »Dann können wir davon ausgehen, dass sie keine Zwangsarbeiter beschäftigt haben.« Myriam war erleichtert.
    »Das ist nicht gesagt. Wenn es keine Unterlagen gibt, können Sie es vielleicht nicht beweisen. Aber viele Firmen haben bei Kriegsende die Unterlagen verschwinden lassen. Das war vor allem dann möglich, wenn keine eigenen Lager unterhalten wurden, weil das Unternehmen nur wenige Fremdarbeiter beschäftigte.«
    »Aber die Winklerbau war zu Kriegszeiten ein florierendes Unternehmen. Mit Aufträgen in ganz Deutschland.«
    »Vielleicht haben sie mit anderen Firmen zusammengearbeitet und sich dort Arbeiter geliehen. Die waren dann natürlich woanders registriert.«
    »Gab es ein Lager im Gallusviertel?«
    »Nicht nur eines.« Westhof wählte das Viertel aus. Die Anzeige erschien sofort.
    »Das bekannteste und größte war das Lager der Adlerwerke in der

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